Özdemirs Kredit macht Grüne schweigsam

Was wusste Rezzo Schlauch? Welche Kollegen gaben Özdemir den Tipp, sich an Hunzinger zu wenden? Keine Antwort

BERLIN taz ■ Mit der Offenheit ist es bei den Grünen erst mal vorbei. In einer Interview-Offensive hatte Fraktionspromi Cem Özdemir am Wochenende noch eingestanden, aus „Naivität“ einen günstigen Privatkredit über 80.000 Mark vom PR-Unternehmer Moritz Hunzinger angenommen zu haben. Bereits am Montag versuchte Parteichef Fritz Kuhn dann, den Fall für „erledigt“ zu erklären. Fraktionschef Rezzo Schlauch weigerte sich gestern schließlich komplett, Fragen zu seiner möglichen Verwicklung in die Affäre zu beantworten. Auch Özdemir selbst glaubt, genug gesagt zu haben.

„Das sind Interna, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind“, erklärte eine Sprecherin Schlauchs auf Anfrage der taz. Unbestritten ist, dass die Fraktionsspitze bereits ein bis zwei Jahre vor Bekanntwerden des Kredits mit Özdemir über den Fall sprach. Die taz stellte dazu vier Fragen: Hat Özdemir Rezzo Schlauch im Zusammenhang mit dem Kredit um Rat gefragt? Wann fand ein solches Gespräch statt? Was riet der Fraktionschef seinem Kollegen? Warum bestand die Fraktionsführung damals nicht auf einer sofortigen Rückzahlung des Kredits? Diese Fragen bleiben unbeantwortet.

Auch der normalerweise äußerst mediengewandte Özdemir ist schweigsam geworden. So stehen seine Andeutungen vom Wochenende weiter im Raum, wonach er von nicht näher genannten „Abgeordneten, jungen Kollegen von mir auch aus anderen Fraktionen“, den Tipp bekommen habe, bei finanziellen Sorgen könne man sich an Hunzinger wenden. Welche Kollegen er meinte? Keine Antwort.

Özdemir versuchte gestern, zum Alltagsgeschäft überzugehen. „Ich bin nicht auf Tauchstation gegangen“, betonte der 36-Jährige und präsentierte wie geplant eine neue Studie zum Antisemitismus in der NPD. Danach gab er ein kurzes Statement in eigener Sache ab, in dem er seinen „Fehler“ erneut bedauerte und ankündigte, das durch den Hunziger-Kredit gesparte Geld für Folteropfer zu spenden. Özdemir sagte, er wolle sich „nicht in die Opferrolle stellen“. Heftig beklagte er sich aber über Journalisten, die „in meinem gesamten Umfeld“ nachforschten. Fragen der anwesenden Journalisten ließ Özdemir nicht zu. Später bat er um schriftliche Fragen. Auf ein entsprechendes Fax der taz hin teilte sein Büro jedoch mit, Özdemir könne „heute leider nicht mehr“ antworten.

Klar und eindeutig war nur die Reaktion der grünen Bundestagsfraktion auf die Forderung des CDU-Abgeordneten Wolfgang von Stetten, Özdemir solle nicht mehr für den Bundestag kandidieren. Diese Forderung „entbehrt jeder Grundlage“, ließ Fraktionsgeschäftsführerin Kartrin Göring-Eckardt mitteilen. Von Stetten hatte in der Bild-Zeitung gesagt: „Wer bei anderen den Moralapostel spielt, muss selbst absolut sauber sein.“

Doch Angst um ihr Image als saubere Antikorruptionspartei scheint die Grünen nicht zu plagen. Ihnen reicht offenbar die Erklärung der Bundestagsverwaltung von gestern, Özdemirs günstiger Privatkredit werde keine rechtlichen Folgen haben.

P. SCHWARZ, L. WALLRAFF