Gentechnikstreit entscheidet Wahl

Neuseeland entscheidet mit den morgigen Parlamentswahlen über die Verwendung genmanipulierter Pflanzen

MELBOURNE taz ■ Neuseeland hat das Image eines „sauberen und grünen“ Landes, in dem doppelt so viele Schafe wie Menschen leben. Es erzielt 50 Prozent seiner Einkünfte aus der Landwirtschaft, und Poeten nannten es gar „Gottes eigenes Weideland“. Damit dieses für den Export und Tourismus wichtige Image nicht gefährdet wird, lehnen laut Umfragen 62 Prozent der Neuseeländer die Freigabe gentechnisch manipulierter Pflanzen ab. Bei den morgigen Parlamentswahlen dürften davon die Grünen profitieren. Ihr Wahlkampf konzentriert sich auf dieses Thema.

„Dies ist der weltweit erste Wahlkampf um genetisch manipulierte Lebensmittel“, meint Jeanette Fitzsimons, die Spitzenkandidatin der Grünen. Ihre Partei übersprang bei den letzten Wahlen 1999 überraschend die Fünfprozenthürde und duldete seitdem die von Labour geführte Minderheitskoalition.

In den letzten Wochen stiegen die Umfragewerte der Grünen auf über 10 Prozent dank „Corngate“. So heißt in Anlehnung an die US-Affäre „Watergate“ der 70er-Jahre der Streit um die Freigabe genmanipulierten Saatguts in Neuseeland. Labour-Premierministerin Helen Clark will das im Oktober 2003 auslaufende Moratorium nicht verlängern. Bisher gibt es keine genmanipulierten Lebensmittel im Land. Die Grünen, die laut Fitzsimons Neuseeland als Teil der Welt erhalten möchten, der nicht durch mögliche gentechnologische Unfälle verseucht ist, verlangen die Beibehaltung des Moratoriums. Sie wollen die Gentechnologie auf die Labors begrenzen. Nur dann sind die Grünen zu einer Koalition mit Labour bereit.

Clark dürfte wohl einen Koalitionspartner brauchen, denn laut Umfragen sank Labour in der Wählergunst unter die absolute Mehrheit. Der bisherige Koalitionspartner, die linke „Alliance“ – eine frühere Labour-Abspaltung, zerstritt sich in der Frage des Einsatzes neuseeländischer Spezialtruppen in Afghanistan und dürfte nicht wieder ins Parlament kommen.

Die dröge wie resolute Clark führt die Beliebtheitsskala an. Dabei musste sie zugeben, ein von ihr für einen Wohltätigkeitsbasar gespendetes Bild als eigenes Werk ausgegeben zu haben, obwohl es von einem bekannten Künstler stammte. In der letzten Umfragen kam Labour noch auf 46 Prozent gegenüber 51 im Mai.

Die konservative Nationalpartei, die bis 1999 neun Jahre lang regierte, sackte dagegen auf 27 Prozent ab. Labours sozial orientierte Wirtschaftspolitik war recht erfolgreich und entpuppte damit die Warnungen der eher neoliberalen Nationalpartei als unbegründet. Diese konservative Partei wird jetzt auch nicht mehr von der resoluten Jenny Shipley geführt, sondern vom unscheinbaren Bill English. Laut Umfragen dürfte auch die rechtspopulistische Partei „New Zealand First“ des Maori-Politikers Winston Peters kräftig zulegen und etwa 10 Prozent der Stimmen bekommen. Peters will die Einwanderung aus Asien begrenzen. Eine Koalition mit ihm lehnt Clark ab.

Sie hofft noch auf die absolute Mehrheit im 120-sitzigen Parlament. Als Joker hat sie ein Abrücken vom Antiterrorkrieg der USA in petto. Ihr Außenminister Phil Goff bereitete dafür den Boden, als er letzte Woche erklärte, Neuseeland würde sich nicht wie Australien an einem Präventivschlag gegen den Irak beteiligen. „Die Tage, als Wellington noch ein Echo von London oder Washington war, sind vorbei“, so Goff. Neuseeland würde keine Soldaten schicken, solange die Verbindungen zwischen dem Irak und dem Terrorismus nicht klar bewiesen seien.

Mit dieser Ausrichtung dürfte Clark vor allem auf jene Wähler zielen, die schon die Entsendung von Elitetruppen nach Afghanistan ablehnten und das Ende einer militärischen Rolle Neuseelands in der US-Kriegsstrategie fordern. BORIS B. BEHRSING