„Sollen sie doch klagen“

Verpartnerte Homosexuelle haben weniger Rechte als verheiratete Heteros. Die Union will nicht, dass sich das ändert, erklärt ihr rechtspolitischer Sprecher Norbert Geis

Manche Unions-Abgeordnete – wie die Vertriebenenverbandschefin Erika Steinbach – wollen das Homoehe-Gesetz am liebsten wieder abschaffen. Aber das dürfen sie seit vorgestern nicht mehr laut sagen, denn Stoibers Kampagnenbüro verhängte in dieser Frage allen Unionsfunktionären einen Maulkorb. Nur einer wollte sich nicht daran halten …

taz: Herr Geis, zum Karlsruher Urteil zur Homoehe sagten Sie, das Gesetz müsse keinen Ewigkeitswert haben. Was heißt das?

Norbert Geis: Dass kein Gesetz auf ewig gelten muss. Man wird im Laufe der Zeit ein Gesetz immer wieder auf den Prüfstand stellen müssen. Das hängt auch, aber nicht nur von den Mehrheitsverhältnissen ab.

Angenommen, eine unionsgeführte Bundesregierung würde dieses Gesetz wieder abschaffen: Wie würden Sie mit den bis dahin geschlossenen Partnerschaften verfahren?

Das eben muss geprüft werden. Ich will aber nicht sagen, dass dieses Gesetz unbedingt aufgehoben werden muss. Aber geprüft werden muss es. All diese Rechtsfragen müssten dann geklärt werden.

Welche Rechtsfragen meinen Sie?

Zum Beispiel die Frage, ob das Eingehen einer Partnerschaft einen Vertrauensschutz begründet. Verfassungsrechtlich liegt hier viel Stoff bereit.

Verfassungsrechtlich hat die Union in Karlsruhe gerade eine Niederlage erlitten. Warum wollen Sie das Gesetz überhaupt wieder abschaffen?

Wir waren immer gegen dieses Gesetz. Und wir waren zwar unterlegen, aber das Urteil des Verfassungsgerichts sagt ja nicht, dass man dieses Gesetz haben muss. Es enthält nicht die Verpflichtung, dass ein solches Gesetz unbedingt existieren muss, um die Verfassung zu wahren. Der Gesetzgeber hat eine Dispositionsfreiheit.

Gewiss. Aber die Frage der Verfassungskonformität ist in Ihrem Sinne abschlägig beschieden worden. Einen Widerspruch zum Art. 6, der die Ehe schützt, erkannte das Gericht nicht.

Das ist richtig, das hat das Verfassungsgericht in seiner Mehrheit so gesagt.

Ist Ihren Worten zu entnehmen, dass die Union das Ergänzungsgesetz weiterhin ablehnen wird?

Ich sehe eine gewisse Tendenz in der Union, dass man sich so verhalten wird.

Nun gibt es andere Stimmen aus der Union, die dafür plädieren, sich dieses Ergänzungsgesetzes anzunehmen, allein schon, um mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 nicht zu kollidieren.

Ich kenne diese Stimmen nicht. Der Kanzlerkandidat ist sehr skeptisch, was ein solches Ergänzungsgesetz anbetrifft.

Diese Stimmen outen sich nicht namentlich – aber es gibt sie. Sie sagen: Man muss verhandeln, weil man keinen jahrelangen Streit will.

Wir werden den 22. September abwarten. Wenn wir dann die Regierung übernehmen, stehen andere, gewichtigere Fragen an. Das Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz wird nicht den ersten Rang einnehmen.

Wie dem auch sei: Wird die Union das Ergänzungsgesetz mitverhandeln, um eine Kollision mit Art. 3 zu verhindern?

Warum? Ich sehe keine Kollision. Das Verfassungsgericht hat nicht gesagt, dass ein Ergänzungsgesetz verabschiedet werden muss.

Unterhaltspflichten stecken im Partnerschaftsgesetz, die dagegen zu stellenden Rechte stehen im Ergänzungsgesetz. Wenn die Union weiterhin blockiert, werden die Betroffenen klagen.

Sollen sie doch klagen. Das Gericht hat erklärt, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet werden kann, weiter gehende Gesetze zu verabschieden.

Kein Spielraum von Ihrer Seite?

Spielraum gibt es immer, aber es gibt keine Pflicht, ihn zu nutzen.

INTERVIEW: JAN FEDDERSEN