Die Seele in Grün und Sonne baden

Nicht nur für Nackte: Der Verein Prießnitz e.V. betreibt seit 100 Jahren eine stille Oase mitten in Bremen: Das Licht-Luft-Bad neben dem Café Sand. Äpfel direkt von den Bäumen, Platz zum Bolzen und brütende Spechte gehören dazu

Fährt man mit der Sielwallfähre Richtung Café Sand, biegt dann aber nach rechts in den Strandweg ein, statt sich an einen der Biertische zu setzen, sieht man schon bald lange grün gestrichene Bretterzäune unter hohen Pappeln und altem Ahorn, die den Weg säumen. Über dem Eingang zum Gelände prangt ein altertümlich anmutendes Schild: „Licht-Luft-Bad“ steht darauf.

„Die Leute glauben immer, im Licht-Luft-Bad laufen alle nackt ’rum. Das ist vollkommen daneben“, ärgert sich Reinhold Schütze, der Sportwart des Vereins „Prießnitz in Bremen e.V.“ Er versteht nicht, wie die BremerInnen darauf kommen. Vielleicht liegt es daran, dass man auf dem 20.000 Quadratmeter-Gelände nicht nur Sport und Müßiggang betreiben, sondern tatsächlich auch hüllenlos sonnenbaden kann – seit hundert Jahren.

Zu dem Terrain gehören ein Café, offene Spiel- und Liegewiesen, für Boccia und Fußball und die eigentlichen „Bäder“, denen die Gesamtanlage ihren FKK-Ruf verdankt. Tritt man aus dem Eingangshäuschen heraus, steht man auf einer Terrasse. Rechts und links davon, am Rand der Wiesen, beginnen die eintrittspflichtigen Bereiche: Die Umkleidekabinen, die – wie fast alles im Licht-Luft-Bad – naturnah eingerichtet sind, nur mit einer Überdachung, Spinnen und Vogelnester inklusive. „Die Spinde haben wir damals umsonst bekommen, als die AG Weser aufgelöst wurde“, erzählt Schütze beim Rundgang durch das Bad. Zu den zugigen Umkleidebereichen gehören auch Duschen, zwei warme, eine kalte, nur durch ein Kunststoffdach vor Laubfall, abbrechenden Ästen und Hagelschlag geschützt. Der Sportwart ist selbst kein FKK-Fan, beim Open Air-Duschen kommt aber auch er ins Schwärmen: „Das ist richtig schön. Man muss natürlich ein Faible dafür haben.“

Knapp hundert Jahre alte Buchen, Linden und jüngere Apfelbäume werfen Schatten auf den Rasen. „Außer vielleicht vier, fünf Leuten aus dem Verein, die sich direkt mal einen Apfel vom Baum pflücken, will niemand welche haben“, bedauert Schütze. „Im Herbst müssen wir immer das Fallobst von der Wiese sammeln.“

Ruhe und Schutz dieser Oase locken Tiere an: „Die Kaninchen unterhöhlen uns hier alles“, stöhnt der Sportwart. „Das ist schon fast eine Plage.“ Andererseit hatte der Verein im Frühling ein brütendes Spechtpärchen in einem alten Baum zu Gast. Und in der Dämmerung könne man hier sogar Eulen fliegen sehen, ergänzt er.

Erst in den eigentlichen „Bädern“, weiter hinten auf dem Terrain fallen die Hüllen: Hinter Holztüren und Sichtschutzzäunen befinden sich, getrennt nach „Damen“ und „Herren“, aus Hecken geschnittene Abteilungen für die SonnenanbeterInnen. Pro Bad gibt es etwa acht solcher abgeteilter Ecken und eine kalte Dusche ganz ohne Dach. Über ein „gemischtes Bad“ haben die Vereinsmitglieder 1994 noch nachgedacht. Aber mangels Nachfrage und Geld für den Umbau ist es dabei geblieben.

Der Namenspatron des Vereins – Vincenz Prießnitz, geboren 1799 – war Naturheilkundler, über den Schütze sagt: „Er hatte eine harte Gangart mit Kranken. Die mussten schwitzen, Holz hacken und so, damit sie ihre Krankheit ausschwitzen.“ Wer sich dagegen streubte, wollte nach Prießnitz auch nicht wieder gesund werden, fügt Schütze hinzu. Ob das in der Vereinssatzung steht? „Das wär ja noch schöner“, lacht Schütze. Zum Schluss räumt er noch mit einem zweiten Irrtum auf: Im Licht-Luft-Bad gibt es kein Schimmbecken: Hier geht es nur ums Sonnenbaden. Ulrike Bendrat