„Milošević handelte ehrenwert“

Beim UNO-Tribunal in Den Haag enttäuscht der als Zeuge der Anklage geladene frühere serbische Geheimdienstchef, Radomir Marković. Er verteidigt Milošević und verdammt den Nato-Luftkrieg im Kosovo von 1999 als „Terrorakt des Westens“

von ROLAND HOFWILER

Im Prozess gegen den früheren jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević vor dem Uno-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ist es am gestrigen letzten Verhandlungstag zum Eklat für die Anklage gekommen. Radomir Marković, einst Chef des serbischen Geheimdienstes RDB, stellte sich bei seiner Vernehmung entgegen allen Erwartungen voll auf die Seite seines ehemaligen Dienstherrn.

Die Ankläger hatten Marković als ersten Insider geladen, der vor dem Tribunal über die internen Befehlstrukturen während der Milošević-Herrschaft aussagen sollte. Vor allem erhoffte sich das Gericht neue Erkenntnisse über das Verhältnis Milošević’ zu dem Freischärlerführer Zeljko Raznjatović, genannt Arkan (die Raubkatze). Während der Kriege in Kroatien, Bosnien und dem Kosovo waren es vor allem dessen Einheiten, die mit unvorstellbaren Gräueltaten die Zivilbevölkerung in Angst und Schrecken versetzten und die Menschen zur Massenflucht trieben. Doch anstatt über Arkans direkte Kontakte zu dem serbischen Herrscher zu berichten – wie mit der Anklage abgesprochen – verwies Marković allein darauf, man habe sich hin und wieder mit dem Freischärlerführer getroffen, „um ihn in Schranken zu weisen“. Milošević wie er hätten Arkan immer wieder deutlich zu verstehen gegeben, er habe nur so lange deren Unterstützung, wie seine Einheiten wie „wahre Soldaten“ kämpften. Und daran habe sich Arkan gehalten. Alle ihm unterstellten Gräuelgeschichten hätten andere erfunden, um das Serbentum zu diskreditieren.

Diese Aussage Marković’ kam für die UNO-Ankläger wie ein Schock, denn sie spielte dem mutmaßlichen Kriegsverbrecher Milošević direkt in die Hände, der nach wie vor darauf beharrt, für das „Chaos im Kosovo“ in den Jahren 1998–99 sei einzig die kosovo-albanische Befreiungsarmee UÇK verantwortlich zu machen, die mit ihren Anschlägen auf Polizeistationen und wehrlose serbische Bauern den „Bürgerkrieg“ im Kosovo einst provoziert habe.

Obwohl der Vorsitzende Richter des Tribunals, Richard Mey, den Angeklagten auch gestern mehrmals ermahnte, das Gericht nicht für politische Reden zu missbrauchen, gelang es Milošević wieder einmal, das Verfahren zu seinen Zwecken zu instrumentalisieren – diesmal mit Hilfe seines ehemaligen Mitstreiters Marković. Statt Staatsgeheimnisse auszuplaudern beteuerte der Insider auch an anderer Stelle, man habe „alles in der Kraft Stehende getan, um die albanische Zivilbevölkerung vor terroristischen Banden zu schützen“. In zahlreichen rein albanischen Dörfern habe die örtliche Bevölkerung sogar von den serbischen Sicherheitskräften militärischen Beistand verlangt, um vor Übergriffen der UÇK geschützt zu sein.

Marković widersprach zahlreichen Zeugen, die im bisherigen Verlauf des Prozesses von schweren Grausamkeiten serbischer Soldaten und Paramilitärs gesprochen hatten. Am 26. August soll das Verfahren wieder aufgenommen werden – mit neuen Belastungszeugen.