‘ne richtige Husche

Vom Berliner Regen und Regen und Regen und Regen und Regen und Regen und …

Unbedarfte Rudel von gebräunten Breisgau-Bubis versauen uns den Sommer

Das Idiom der Eskimos kennt 46 verschiedene Wörter für „Schnee“, das Berlinische etwa 365 für „Regen“. Es nieselt und pieselt, tröpfelt, gießt, schüttet, in Sprachenklaven wie Frohnau und Stahnsdorf rättert und pöttert es auch. Ein erfrischender kleiner Sommerregen, bei dem in 20 Minuten etwa ein Liter Niederschlag fällt, heißt „’ne richtige Husche“, weit verbreitet ist auch „Das hört ja gar nicht mehr auf“. Das – und jeder weiß, was gemeint ist.

An einem Sonntag, zwischen zwei richtigen Huschen, saßen und lagen auf dem gut durchfeuchteten Rasen an der Krummen Lanke im Bezirk Zehlendorf tatsächlich nackende Menschenkinder und sonnten sich in dem Gefühl, die extravagante Sportart „Regenbaden“ ausüben zu dürfen. Es reichte ihnen nicht, ihre patschnassen Badetücher mit Fröschen, Olmen und Unken zu teilen, die die günstigen Witterungsverhältnisse nutzten, um sich die Wiese einmal näher zu betrachten. Nein, obwohl schon bis auf die Haut durchnässt, sprangen sie in den ortsansässigen Tümpel und schwammen ein paar Runden. Regen bringt Segen.

Die Menschheit kann von Glück sagen, dass Noah kein Berliner war. Der hätte zwar brav und gottesfürchtig seine Arche gebaut, aber am dritten Regentag in Folge hätte er mit dem Schrei „Nüscht wie raus an’n Wannsee“ Badehose und Familie eingepackt, das keineswegs sinkende Schiff verlassen, und alle wären ersoffen. Bis auf die Frösche, Olme und Unken natürlich, die mögen so etwas.

Anderswo feiern die Menschen Sommerfeste, hier heißen diese Veranstaltungen Regenfeste. Der Begriff „regenfeste Kleidung“, der uns heute so locker über die Lippen geht, hieß eigentlich „Regenfeste-Kleidung“ und bezeichnete das traditionelle Gewand, das man anlegte, um in Berlin rauschende bzw. feuchtfröhliche Feste zu feiern.

Dieser beklagenswerte Zustand war nicht immer so, es gibt Höhlenzeichnungen in Werder/Havel, die Strichmännchen in Liegestühlen und mit Sonnenbrillen zeigen. Was in den 10.000 Jahren danach passiert ist, lässt sich genealogisch-meteorologisch nicht mehr im Detail nachvollziehen, der weltberühmte trockene Humor der Berliner wird jedenfalls als Reaktion auf Unbill, die von oben kommt, verstanden.

Eine aktuelle Theorie über das Wetter geht so: Seit einigen Jahren findet in Berlin der „Karneval der Kulturen“ statt, ein Fest, bei dem man Regenfeste-Kleidung aus über 150 Ländern bestaunen und sich bei Musik, Speis und Trank regenerieren kann. Zu diesem Fest gehört auch ein Markt. Dort werden auch Regenmacher feilgeboten. Jawohl, Regenmacher. Der Regenmacher ist ein etwa zwei Meter langes, armdickes Holzrohr, dessen Enden verschlossen sind. Innen drin befinden sich getrocknete Blätter. Wenn man den Regenmacher dreht, rieseln die Blätter langsam durch ihn hindurch, und das Geräusch klingt verdächtig nach ’ner richtigen Husche. Die Regenmacher stammen aus Australien, einer Gegend, wo in zwanzig Jahren so viel Regen fällt wie in Berlin in einer Juliwoche. Bevor Koala, Schnabeltier und Känguru einschrumpeln und verdursten, stellt sich der vorausschauende Australier in die Wüste, dreht seinen Regenmacher ein paar Mal langsam hin und her, dass die Blätter darin allwohlgefällig rauschen, und bald regnet es. So war das ursprünglich gemeint.

Der „Karneval der Kulturen“ ist ein Ereignis von überregionaler Bedeutung. Bis aus Freiburg kommen die Esoteriker nach Berlin, um sich mit ihrem Jahresvorrat einzudecken. Sie tragen Goretex-Jacken, trinken Grütztee, essen ayurvedische Energiebällchen und schlendern von Stand zu Stand, bis sie irgendwann auf einen Regenmacher stoßen. „Hey, was isch’n des?“, fragt der Esoteriker den Standbesitzer. „Ist Regenmacher“, sagt der Standbesitzer. „Vorsicht.“ – „Darf ich mal?“, fragt der Esoteriker, und schon hat er den Regenmacher ein-, zwei-, dreimal gedreht. „Hey, desch klingt ja total irre, total beruhigend. Hey, Wolfgang kommmal her.“ Auch der zweite Esoteriker dreht und wendet den Regenmacher ausgiebig. „Subber, klingt voll subber. Was koscht’n der?“ – „Hundertfünzig Euro“, sagt der Standbesitzer knapp, dem Übles schwant. „Was, so viel? Ey, des isch mir echt zu viel, klingt aber echt schön.“ Sagt’s, kauft sich einen Heilstein und fährt zurück in sein Dorf, das 365 Sonnentage im Jahr sein Eigen nennt.

Auf einem „Karneval der Kulturen“ spielt sich dieser an und für sich harmlose Vorgang etwa 10.000-mal ab. Anders gesagt: Unbedarfte Rudel von sonnengebräunten Breisgau-Bubis versauen uns jedes Jahr den Sommer. Damit muss Schluss sein. Berlin braucht Einreisebeschränkungen für diese Leute sowie einen sofortigen und totalen Einfuhrstopp für Regenmacher. Sommer wird erst sein, wenn unsere Kinder nicht mehr wissen, was das Wort Husche bedeutet. Wenigstens ist der Freiburger Sportclub abgestiegen, immerhin etwas. RALF OBERNDÖRFER