„Keine Energie vergeuden“

Jazzklangbild und Sprechgesangsleistungsträger: Inmitten der Nach-Hype-Katerstimmung der deutschen HipHop-Branche veröffentlicht mit I.L.L. Will ein alter Hase ein überraschend rundes Debüt

Interview: ALEXANDER DIEHL

Vielerorts kühlt sich die Euphorie ab, was deutschsprachigen HipHop angeht. Verkaufs- und Besucherzahlen zeugen von Katerstimmung, längst wird nicht mehr automatisch unter Vertrag genommen, wer einen Reim auf Band zu bringen imstande ist. „Was soll aus HipHop werden nach dem Boom?“ fragt Dendemann (Eins, Zwo) auf dem Debüt von Produzent I.L.L. Will.

Dieser hat Höhen und Tiefen seiner Branche mitbekommen, immerhin baut er bereits seit den frühen 90er Jahren Beats für Auftraggeber nicht nur in Hamburg. Folgerichtig hat er auf LP, nicht vollständig neben lokalen Rapkulturverdächtigen (Nico Suave, Eins, Zwo) auch Qualitätskollegen wie Blumentopf und Curse dabei – oder auch „echte“ Jazzmusiker. Was nie in Handwerkspathos mündet, sondern mit entspannten Beats und origineller Textarbeit als sommerliches Highlight der gebeutelten Branche durchgeht.

taz hamburg: Du bist schon lange dabei, als B-Boy, als Produzent und Remixer – wie kamst du eigentlich zum HipHop?

I.L.L. Will: Ich bin reingerutscht, das war 1993, und 1994 kam schon die erste Veröffentlichung. Das Glück war, dass ich für Easy Business getanzt habe, und wir durch Zufall einmal im Studio waren. Da habe ich gesehen, wie die arbeiten. Und ich habe mitgekriegt, dass ich Bock auf so eine Arbeit habe.

Wie wichtig ist es heute für dich, mit Kollegen zusammenzuarbeiten?

Dadurch lernt man. Andere Produzenten haben ihre eigene Sicht, man tauscht sich aus, man pusht sich gegenseitig. Und es macht viel Spaß.

Warum überhaupt erst jetzt eine eigene Platte?

Die Idee stammt nicht von mir, den Drang habe ich nie gehabt. Ich hatte eigentlich genug zu tun. Bis dann André Luth von Yo Mama auf mich zukam. Na ja, so ein Angebot schlägt man nicht aus. Andere Leute verschicken und verschicken, und wenn dann der Chef der Plattenfirma persönlich kommt – das nimmt man doch gerne an.

Die Texte kommen von den beteiligten Rappern – habt ihr euch irgendwie abgesprochen?

Nee, gar nicht. Worauf ich nicht stehe, ist dieses Oberprollige, darauf habe ich Wert gelegt. Aber da sind die Beteiligten ja auch so ausgesucht, dass das nicht passieren würde. Sonst habe ich es ihnen überlassen. Und da wusste ich, dass kein Scheiß rüberkommt, also etwas, das ich nicht mag.

Und falls doch, hättest du es zurückgeschickt?

Damit habe ich kein Problem. Unterhaltsam sollen sie sein. Und ich stehe auf, sagen wir, nicht platt witzige Texte. Wenn man über die eine oder andere Zeile schmunzeln kann, das mag ich gerne. Wenn mal ein guter Spruch drauf ist, wo du sagst, genauso seh‘ ich das auch.

Wo du es nun hinter dir hast – bringt es Spaß, ein Album zu machen?

Es macht Spaß, ja. Momentan kann ich es aber nicht mehr hören. Jetzt muss ich erstmal Abstand nehmen, beiseite und sehen, wie es ankommt. Ich meine nicht so sehr die Verkäufe, sondern ich will sehen, wie die Leute das finden. Es wird keine Tour geben, kein Video und keine Releaseparty. Das ist auch mein Wunsch, da es für mich ja ein erster Schritt ist: alles erstmal niedrig zu halten. Zuerst macht man eine LP, dann mal sehen, wie ist die Resonanz. Man lernt ja auch nicht sofort zu rennen, sondern erstmal krabbeln, dann laufen – und dann vielleicht rennen.

Du scheinst nicht viel zu geben auf diese merkwürdige Rivalität zwischen den Städten, in denen hierzulande HipHop gemacht wird.

Damit will ich nichts zu tun haben. Wenn einer aus dem Allgäu kommt, rappen kann und eine gute Stimme hat, dann kommt er eben aus dem Allgäu. Ist doch egal. Das ist eine negative Sache, und ich habe mir vorgenommen, keine Energie ans Negative zu vergeuden. Bevor man sich damit auseinander setzt, da kann ich doch schon zwei neue Tracks gemacht haben, verstehst du?

I.L.L. Will: LP, nicht vollständig (Yo Mama/Zomba)