Pisa-Tag an der Uni Oldenburg
: Gesamtschulen sind tabu

Wir wurden geholfen

Die ersten Reaktionen auf die Pisa-Ergebnisse waren im Juni Schockzustände und gegenseitige Schuldzuweisungen.

Gestern trafen sich rund 950 PädagogInnen aus Niedersachsen im Rahmen eines „Pisa-Tages“ an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg. Interesse und die kultusministerielle Anordnung, dass sich niedersächsische PädagogInnen an den letzten drei Ferientagen mit Konsequenzen der Pisa-Studie zu beschäftigen hätten, hatten zu 1.600 Anmeldungen geführt. Wegen Platzmangels mussten die Veranstalter – das didaktische Zentrum und das Fortbildungszentrum der Universität – rund 650 KollegInnen absagen. „Wir sind nach Studium und Referendariat dafür verantwortlich, was die LehrerInnen lernen“, sagte Wilm Renneberg vom Fortbildungszentrum.

Es gab Vorträge über Leseförderung, Grammatikunterricht oder den Zusammenhang von Bewegungsschwierigkeiten und Matheproblemen. Das Tagungsprogramm kreiste um „Ansätze für eine neue Lernkultur“, so der Veranstaltungsuntertitel. „Eine neue Lernkultur braucht eine Umorientierung der Lehrer“, sagte Wolf-Dieter Scholz, Dekan des Fachbereichs Erziehungswissenschaft an der Uni Oldenburg. „Die Schulen denken selektiv“, versuchte er zu konkretisieren: „Wir brauchen LehrerInnen, die die Kinder mit all ihren unterschiedlichen Fähigkeiten wahrnehmen.“ Grund sei auch das deutsche Schulsystem: „Den Satz ‚Schüler X gehört nicht an diese Schule‘ gibt es in Finnland nicht. Da gibt es nämlich keine schlechten Schulen für schlechte Schüler.“ Eine sachliche Diskussion um Gesamtschulen sei in Deutschland derzeit allerdings nicht zu führen. Sie sei zu sehr „ideologisch aufgeladen“, bedauerte der Hochschullehrer. In die Diskussion um Pisa wolle die Hochschule als der Ausbildungsort für LehrerInnen aber mit den Schulen einsteigen, sagte er.

Scholz kritisierte auch die Universitäten: Unterrichtsmethoden dürften an den Hochschulen nicht nur theoretisch und im Frontalunterricht beigebracht werden. Außerdem müsse die LehrerInnenausbildung möglicherweise verändert werden, aber das sei Sache der Landespolitik: Der Pädagogik-Anteil im Studium sei, im Vergleich zu den Fächerschwerpunkten, sehr gering.

Grundschullehrerin Renate Hedemann gefiel der Pisa-Tag: „LehrerInnen und Universitäten müssen viel mehr zusammen arbeiten: Wir PraktikerInnen können den Studenten eine Menge Erfahrung weitergeben.“ Dass der Tag den beteiligten Lehrern für ihren Alltag etwas bringen würde, bezweifelte ihre Delmenhorster Kollegin Christa Jackwerth. Lehrerin Renate Bäcker: „An den schlechten Bedingungen, fehlender Ausstattung und zu wenig Lehrkräften können wir ja nichts ändern.“

Dass viele Probleme am Geld hängen, hatte auch Scholz festgestellt. Der Umkehrschluss funktioniere jedoch nicht, meinte er: Niedersachsen gebe unter den Bundesländern am meisten für Bildung aus, habe aber trotzdem ein wesentlich höheres Stundendefizit als Baden-Württemberg.

Das Oldenburger Fortbildungszentrum bietet an, die Themen des Pisa-Tags im Rahmen von Weiterbildungen zu vertiefen. Alle Vorträge werden ins Internet gestellt. ubewww.diz.uni-oldenburg.de