Münchner gehen auf die Straße

München macht am Sonntag vor der Bundestagswahl Schwabinger Vorzeigeboulevard für Autos dicht. Bürgerinitiative will Flaniermeile nach südlichem Vorbild. Jeden Sonntag

MÜNCHEN taz ■ „Corso Leopold“ hieß die Idee, die sich Schwabing Extra, die Zeitung der gleichnamigen Schwabinger Bürgerinitiative 1994 ausgedacht hatte: Unter dem Eindruck der damaligen Fußball-Weltmeisterschaft mit ihren jubelnden Fans auf Schwabings Vorzeigeboulevard schlug die BI vor, die Leopoldstraße in den Sommermonaten am Wochenende regelmäßig für den Autoverkehr zu sperren. Nicht zum Jubeln, sondern als friedliche Flaniermeile, so wie es das in andern südlichen Städten schon lange gab.

Zwei Weltmeisterschaften später ist München reif für einen ersten Versuch: Aus Anlass des europaweiten autofreien Tages findet am 14. und 15. September nun das längste Straßenfest der Stadt auf der Leopoldstraße und der sich jenseits des Siegestors anschließenden Ludwigstraße statt. Probelauf für den Corso Leopold. Am Sonntag gibt es auch eine „Rio + 10-Aktionsmeile“, passend zum Weltgipfel in Johannesburg. Veranstalter sind die Münchner Umweltschutzorganisation „Green City“, „Schwabing Extra“, die Münchner Verkehrsgesellschaft MVG sowie das Referat für Gesundheit und Umwelt, das das Projekt mit 76.000 Euro unterstützt. Schirmherr ist Oberbürgermeister Christian Ude. Nach Sponsoren wird in der vom Pleitegeier bedrohten Isarmetropole noch gesucht.

Hinter dem Corso Leopold steckt die Idee, städtischen Raum für Fußgänger zurückzugewinnen. Green City hat viele Aktivitäten geplant, hofft aber auch auf Eigeninitiative der Bürger. „Wir machen Platz Sie verwirklichen Ihre Ideen“ heißt das Motto des Festivals. Musik, Gaukler, Straßentheater, eine „Speaker’s Corner“, Kunstinstallationen, Lesungen und Straßenmalaktionen wollen die Veranstalter aufbieten. Die kooperationswillige Polizei habe, so war zu hören, darauf bestanden, dass „was geschieht“ auf der Meile „sonst braucha mir ja net absperr’n“.

Die Gralshüter der Idee des Corso Leopold freuen sich, dass ihre Idee nun umgesetzt wird. Vertreter von Schwabing extra hoffen, auch mit Blick auf den Klimaschutz, dass der Corso „etwas ganz Normales“ wird und in anderen deutschen Städten Schule mache. Sollte sich der Corso als ein neues, friedliches Wochenendvergnügen erweisen, könnte er zur ständigen Institution werden. Ein krachiges wöchentliches Volksfest brauche in Schwabing niemand. Das Wochenende vor der Bundestagswahl wird zeigen, ob es den Münchnern gelingt, eine neue Form des städtischen Straßenlebens zu etablieren.

THOMAS PAMPUCH