Verständlich muss es sein

„Paul Klee hat noch niemand verlangt, aber Rembrandt schon oft!“: In den Copyshops der drei russischen Maler und Brüder Eugen, Michael und Semjon Posin hat das Handwerk goldenen Boden

von EKATERINA BELIAEVA

In der Auguststraße gibt es seit einigen Wochen eine Galerie, in der die Kunstfälschungen von Konrad Kujau angeboten werden. Besitzerin ist die Nichte des jüngst verstorbenen Hitler-Tagebuch-Fälschers. Daneben existiert schon seit 1990 erst in Ost- und jetzt in Westberlin der Salon der Kunstkopisten Posin. Es sind drei Brüder: Eugen, Michael und Semjon. Sie stammen aus Sibirien, wohin man ihren Vater, einen Offizier, in den Fünfzigerjahren verbannt hatte. Seine 1987 aus der Sowjetunion in den Westen ausgewiesenen drei Söhne studierten zunächst in Leningrad an der Kunstakademie, wo sie ein solides handwerkliches Wissen erwarben. Aber weil sie sich dann weigerten, politisch korrekte Kunst zu machen, und auch nicht dem Künstlerverband beitreten wollten, blieb ihnen zunächst nur eine Underground-Selbstständigkeit, was hieß: inoffizielle Ausstellungen und unregelmäßige Einkünfte.

Heute denken sie nicht mehr gern an diese Zeit zurück: „Wir fühlten uns ständig beobachtet und verfolgt.“ Irgendwann standen die drei Brüder vor der Alternative: „Entweder geben wir uns auf oder unser Land.“ Die schönen Bilder im Stile alter Meister hätten sie nur als sozialistische Auftragskunst quasi verfremdet realisieren können.

Jetzt hängt ihr Salon in Neukölln, Wipperstraße 20, voll mit Kopien der berühmtesten Gemälde aus den letzten sieben Jahrhunderten, wobei die drei Leonardo da Vinci, Rembrandt und Rubens bevorzugen. Über ein Jahr arbeiteten sie gerade zu dritt an Leonardos „Mona Lisa“. Weil sie nicht im Louvre sitzen und kopieren durften, arbeiteten sie sich erst einmal gründlich in Leonardos Zeichnungen und Tagebücher ein. „Es ging dabei um das Lächeln. Wir begriffen, dass sich die Schatten um ihren Mund in Bewegung befinden, sie zeigen eine Muskelfunktion an. Der Gesichtsausdruck ist eigentlich der Moment vor dem Lächeln oder nach dem Lächeln, wobei die Mona Lisa nicht nur mit dem Mund, sondern mit dem ganzen Kopf lächelte bzw. lächeln wird.“

Als die drei Brüder 1990 von Westdeutschland nach Berlin kamen, eröffneten sie zunächst eine Kunstschule in der Clara-Zetkin-Straße, wo sie einige Räume des ehemaligen DDR-Kulturministeriums anmieteten. Die Schreibtische waren noch voll von Formularen und die Telefone noch angeklemmt. Dazwischen wurden nun die Staffeleien aufgestellt. Es gab Kaffee, so viel man wollte, umsonst. Die Schüler, West- und Ostdeutsche sowie Russen, malten fleißig Aktmodelle und Stillleben: die Espressomaschine mit leeren Tassen zum Beispiel. Die Schüler hatten ständig Hunger. Die Kunstschule der Gebrüder Posin befand sich 1990 in einem Niemandsland: Der nächste Lebensmittelladen war am Alexanderplatz. Viele der Schüler stellten mit Hilfe der Posins ihre Bewerbungsmappen für die Hochschule der Künste zusammen. Für drei Stunden Unterricht zahlten sie 30 Mark. Irgendwann wurden die Häuser in der Clara-Zetkin-Straße renoviert, die Straße wurde umbenannt. Die Kunstschule der Posins zog nach Neukölln um. Dort mangelt es ihnen neuerdings jedoch an Schülern, was mit der Euroumstellung erklärt wird. Dafür können sie sich jetzt wieder mehr auf ihre Malerei konzentrieren. Nicht selten handelt es sich bei ihren Gemälden um Auftragskunst. Sie haben mit Kunden zu tun, die sich nach Alten Meistern sehnen – „nach Kunst, die sie auch ohne Kuratoren verstehen können“. Dazu gehören oft auch junge Leute. Manche kommen mit einem Porträtfoto an: eine altmeisterliche Kopie davon, 50 mal 30 Zentimeter groß, kann man schon für 500 Euro bekommen. Einige bringen auch ein Foto von einem berühmten Bild mit: „Paul Klee hat noch niemand verlangt, aber Rembrandt schon oft!“

Die Posins haben auch eine kleine Rahmenwerkstatt. Die Kunden bekommen neben dem fertigen Gemälde ein Zertifikat, auf dem vermerkt ist, wer wessen Bild wann kopiert hat.