Südamerika am Rande der Krise

Wie schon Argentinien schließt jetzt auch Uruguay Banken zeitweise. Menschen fürchten um Ersparnisse, massive Kapitalflucht lässt Währungskurs abstürzen. Auch brasilianischer Real weiter unter Druck. IWF-Verhandlungen über neue Kredite

aus Porto Alegre GERHARD DILGER

Warteschlangen vor verriegelten Banken und abgeschalteten Bankautomaten, gewundene Erklärungen des Wirtschaftsministers: Der lange beschworene Tango-Effekt hat Uruguay am Dienstag endgültig gepackt. Mit der Schließung der Banken auf unbestimmte Zeit versucht die Regierung die Kapitalflucht einzudämmen, die das Drei-Millionen-Land am Río de la Plata an den Rand des finanziellen Zusammenbruchs gebracht hat.

Nach der Bekanntgabe dieser Maßnahme am Dienstagmorgen erreichte der Peso seinen Tiefstand. Bis zu 35 Pesos mussten für einen US-Dollar hingeblättert werden, abends pendelte sich der Dollar bei 30 Pesos ein. Vor der Freigabe der Währung im Juni von der Dollarbindung lag der Kurs noch bei 1 zu 18. Er hoffe, dass die internationalen Kreditgeber das seriöse Verhalten der Regierung honorieren würden, sagte Wirtschaftsminister Alejandro Atchu4garry von der konservativen Regierungspartei Colorado auf einer Pressekonferenz. „Im Grunde warten wir nur“, räumte der Minister ein, der erst seit einer Woche im Amt ist. Sein Vorgänger, der Liberale Alberto Bensión, war von seiner Partei zum Rücktritt gedrängt worden, weil diese eine Abkehr von der bisherigen Wirtschaftspolitik fordert.

Das sozialdemokratische Oppositionsbündnis „Frente Amplio“ (Breite Front), die Gewerkschaften, aber auch immer mehr Unternehmer fordern eine Ankurbelung des Binnenmarktes, um die vierjährige Rezession zu durchbrechen. Ein solcher Kurswechsel jedoch wäre nur über eine höhere Staatsverschuldung zu erreichen. Die lehnt der Internationale Währungsfonds (IWF), von dem Uruguay nun weitere Hilfe erwartet, strikt ab. Präsident Jorge Batlle hat Atchugarry auf die Beibehaltung eines strikten Sparkurses verpflichtet.

Die drohende Bankenkollaps hängt eng mit der Wirtschaftskrise im benachbarten Argentinien zusammen, wo die Regierung im Dezember eine Kontensperre verfügt hatte. Zu diesem Zeitpunkt beliefen sich Einlagen der uruguayischen Banken auf 13 Milliarden Dollar, inzwischen sind es weniger als 9. 2,2 Milliarden davon sollen argentinischen Sparern gehören.

Die internationalen Währungsreserven der Zentralbank fielen seit Jahresbeginn von 3,1 Milliarden auf 655 Millionen Dollar. Nach einer Vorgabe des IWF muss die Zentralbank den jeweiligen Stand der Reserven täglich bekanntgeben, was die Unsicherheit auf den Märkten zusätzlich schürte. Zudem sind viele hohe Banker in Korruptionsfälle verwickelt – zwei Banken mussten nun auf Geheiß der Regierung ganz schließen.

Ungewöhnlich schnell stimmte der IWF noch am Dienstag der vorzeitigen Freigabe einer Kredittranche von 700 Millionen Dollar zu. Sie gehört zu zwei Krediten über insgesamt 2,3 Milliarden Dollar, die Uruguay im März und im Juni zugesagt worden waren. Das US-Finanzministerium bescheinigte Uruguay am Dienstag „solide Wirtschaftsleistungen“, das Land verdiene die Unterstützung der internationalen Finanzwelt. Die Tageszeitung El Observador aus Montevideo meldete zudem die unbürokratische Freigabe eines bilateralen Darlehens über 800 Millionen Dollar durch das US-Finanzministerium.

Uruguay befindet sich in der schwersten Wirtschaftskrise seit 70 Jahren. Offiziell liegt die Arbeitslosigkeit bei 15,6 Prozent, in Wirklichkeit weit darüber. Auch in Brasilien setzte sich am Dienstag die Talfahrt der Landeswährung Real fort. Solange das angekündigte Abkommen mit dem IWF nicht unter Dach und Fach ist, dürfte der Druck auf den Real anhalten.

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