Moralisch durchaus förderungswürdig

Gesetzlich allerdings nicht immer: Wer soziales Engagement beweisen will, sollte sich die Einrichtung vorher genau ansehen. Sonst kann es passieren, dass die Familienkasse zeitweilig kurzerhand das Kindergeld streicht

Wenn der Träger der Einrichtung, in der soziale Arbeit geleistet wird, nicht offiziell auch als Träger eines FSJ oder FÖJ anerkannt ist, fällt der Absolvent durch eine Lücke im Gesetz

Die Überraschung kam in Hamburg. Knapp 1500 Euro für acht Monate Sozialarbeit in Südamerkia eingebüßt. Dem Träger wars egal. Der Familienkasse auch und dem Gesetzgeber erst recht.

Santa Cruz de la Sierra, Bolivien: Schon morgens um halb sieben ist es wahnsinnig heiß. 30 zehnjährige Jungs sind hellwach und stehen erwartungsvoll vor den Türen ihres Schlafsaals. Nach dem Morgengebet und einem trockenen Brötchen wird Fußball gespielt, werden Hausaufgaben gemacht und manchmal auch bolivianische oder englische Lieder gesungen. Dann gibt es Reissuppe zum Mittagessen, Rosenkranzbeten, Duschen und um 22 Uhr ist Ruhe. Kurz nach Mitternacht, nachdem alle Bettnässer noch mal aufs Klo gebracht wurden, können auch Erzieher und Volontäre endlich ins Bett. Alltag in einem katholischen Kinderheim.

Zurück in Deutschland. Ein Besuch bei der Bank, der Kontostand tendiert gegen Null. Rechenfehler? Flüge und Impfungen kosteten gut 1400 Euro; dass die Arbeit unentgeltlich sein würde, war auch klar. In Bolivien beschränkten sich die persönlichen Ausgaben auf ein Minimum: Gebühren in Internetcafés, Süßigkeiten für die Kinder, Kokateeblätter, Schals und Ponchos als Mitbringsel. Doch auf dem Konto fehlt weit mehr.

Die Ursache der alarmierenden Ebbe ist schnell gefunden: Keinen Pfennig Kindergeld hat die Familienkasse für die acht Monate überwiesen. Dabei bezahlt der Staat Eltern von Jugendlichen bis zum 27. Lebensjahr, die sich arbeitslos melden, eine Ausbildung anfangen oder ein Praktikum absolvieren, in der Regel monatlich 154 Euro Kindergeld. Und wer ein Freiwilliges Soziales (FSJ) oder ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) absolviert, dem bezahlt der Träger dazu noch die Sozialversicherungsbeiträge.

Auch die Arbeit in einem bolivianischen Kinderheim sei vom moralischen Standpunkt aus förderungswürdig, ohne Frage, sagt die nette Sachbearbeiterin der Familienkasse in Hamburg. Aber die Gesetzeslage sehe eben anders aus: Wenn der Träger der Einrichtung, in der soziale Arbeit geleistet wird, nicht offiziell als Träger eines FSJ oder FÖJ anerkannt ist, fällt der Absolvent durch eine Lücke im Gesetz.

Das sieht vor: Nur wenn sich der Hauptsitz des Trägers in Deutschland befindet und er 25 Seminartage zur Weiterbildung garantiert, nur dann zahlt die Familienkasse. In diesem Fall saß der Träger in Italien, und auch eine Weiterbildung war nicht vorgesehen. Wobei Geld und Zeit für Seminartage zumindest in einem bolivianischen Waisenhaus tatsächlich auch besser angelegt werden könnten.

Folglich war die Zeit in Südamerika auch kein Freiwilliges Soziales Jahr, nicht einmal ein Praktikum und wurde auch nicht als Weiterbildungsreise anerkannt. Die Familienkasse nennt diesen Zustand „nicht in der Ausbildung“ und streicht jede Unterstützung. Was in der Regel erst dann auffällt, wenn der Sozialdienst vorbei und der Teilnehmer wieder zu Hause ist. Schließlich wollen die entsprechenden Einrichtungen ihre Bewerber nicht von vornherein vergraulen, diese wiederum sind häufig nicht ausreichend informiert und können deshalb auch nicht die richtigen Fragen stellen.

Was bleibt? Ein dickes Loch im Portemonnaie und die Erinnerung an eine schöne Zeit. HANNE HIRTH