Störe meine Kreise nicht

Am Wochenende maßen die deutschen RollschuhläuferInnen im Bremer Sportgarten ihre Kräfte. Eine Bremerhavener Athletin belegte den zweiten Platz.

Von wegen Ufos: die Meisterklasse der Kreise ziehenden RollschuhfahrerMit Eislaufen hat das nicht viel zu tun. Rollschuhfahren ist spektakulärer

Als wären sie den UFO-Phantasien eines Erich Dänikens entsprungen, zirkeln rollende Kreaturen in verblüffender Präzision ihre Schlingen und Kreise auf den Beton. Nur der plötzlich einsetzende Dreivierteltakt stört den Eindruck, wenngleich der elegante Walzer der trainierenden Rollschuhtänzer nicht minder beeindruckend wirkt.

Die besten deutschen Rollschuhläufer traten am Wochenende im Rollsportstadion in der Pauliner Marsch zum jährlichen Kampf um die Meisterschaft an. Der Vizepräsident des 20.000 Mitglieder starken deutschen Rollsport- und Inlineverbandes (DRIV), Ulrich Brückner, erklärt: „Beim Rollkunstlauf müssen die Sportler vorgegebende Figuren nachfahren.“ Und tatsächlich: Auf zahllosen aufgemalten Kreisen kurven nahezu geräuschlos Rollschuh-Solisten aller Altersklassen herum, stets darauf konzentriert, bloß nicht von der Linie abzuweichen – für eine Note zehn von den Juroren.

Beim Formationslauf dagegen rollen gleich 15 bis 25 AthletInnen synchron dahin, zum Beispiel in der „Waage“ – einer Figur, bei der die Arme das Übergewicht des ausgestreckten Beins wieder ausgleichen. In der dritten Disziplin, dem Rolltanz, müssen nur zwei Partner ihre Bewegungen abgleichen. „Dabei geht es hauptsächlich darum, eine gute Figur zu machen und im Takt zu bleiben“, verrät Constance Hoßfeld aus Bremerhaven, die als eine der erfolgreichsten Läuferinnen Deutschlands gilt.

In der Rollkunstlauf-Pflichtwertung erreicht sie denn auch den zweiten Platz. „Der Pflichtlauf ist aber nicht so kreativ“, sagt die 22-Jährige. Die SportlerInnen müssten vier Figuren auf vorgegebenen Kreisen nachfahren. Dabei sei der „Rückwärts-Auswärts-Gegendreierparagraph“, eine rückwärts auf dem äußeren Rollenpaar gefahrene Doppelschlinge, noch eine der leichteren Übungen. „In der Kür sind dann auch die Sprünge und Pirouetten erlaubt, die man vom Eiskunstlauf kennt“, so Hoßfeld. Dabei haben Roll- und Eiskunstlauf wenig gemeinsam: „Die Sportarten sind völlig unabhängig voneinander entstanden“, sagt DRIV-Chef Brückner.

Vizemeisterin Hoßfeld findet sowieso, der Sport auf vier Rollen sei spektakulärer als auf dem Eis. „Wir können auf den einzelnen Rollenpaaren laufen“, sagt die Vizemeisterin, „da gibt es viel mehr Varianten.“ Trotzdem behandeln die Deutschen ihre rollenden Akrobaten etwas stiefmütterlich: Brechend voll waren die Ränge nicht gerade im Bremer Rollsportstadion. Als Günter Koch dagegen ab 1952 viermal Weltmeister wurde, „saßen in Deutschland noch Zehntausende auf den Tribünen“, erzählt der heutige Bundestrainer.

Die 22-jährige Hoßfeld kam etwa dreißig Jahre später zur Welt – und der Rollsport wurde ihr in die Wiege gelegt. „Ich war drei Jahre alt, als ich mit Kunstlauf angefangen habe. Schließlich war meine Mutter selbst Rollkunstläuferin.“ Und eine erfolgreiche noch dazu: Astrid Bader war von 1965 bis 1968 Weltmeisterin. Das will Tochter Constance auch schaffen – trotz Amerikanistik- und Germanistikstudiums an der Bremer Uni. Siebenmal trainiert sie in der Woche und geht ins Fitnessstudio. „Viele wundern sich, wie das klappt. Aber fast alle deutschen Rollschuhläufer studieren, wir sind ja keine Profis.“

Im Gegensatz zu italienischen oder US-amerikanischen Sportlern: „Da ist Rollschuhlaufen richtig groß“, weiß Trainer Koch. Deswegen räumt er den beiden Ländern auch die größten Chancen bei der Wuppertaler Weltmeisterschaft ein, die im September beginnt. Bei der WM rollen dann erstmals auch Inlineskater mit, die erst vor drei Jahren unter dem Dach des Rollschuhverbandes aufgenommen wurden. Und wie werden die deutschen Sportler abschneiden? „Viele Medaillen werden wir wohl nicht abräumen“, unkt Koch. Constanze Hoßfeld ist da nicht so pessimistisch, sie hofft auf einen guten Platz: „Bei internationalen Wettbewerben fahre ich sowieso am besten.“

Sebastian Kretz