Bei Al-Aqsa stehen die Telefone still

Nach dem Verbot eines deutschen Unterstützervereins für die Terrorgruppe Hamas: Innenminister Schily will die Beweise nicht auf den Tisch legen, dass Spendengelder militärischen Aktionen dienten. Der offizielle Vereinszweck diene nur der Tarnung

von ULRIKE HERRMANN
und YASSIN MUSHARBASH

Seit gut einem halben Jahr ist das „Terrorismusbekämpfungsgesetz“ in Kraft, auch „Sicherheitspaket II“ genannt. Dieses neue Regelwerk wandte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) nun gestern erstmals an, um einen Ausländerverein zu verbieten: den Spendensammelverein Al-Aqsa e. V. (siehe Kasten). Die Büroräume des Vereins und die Wohnungen der Vorstandsmitglieder wurden durchsucht, das Vereinsvermögen von momentan 300.000 Euro beschlagnahmt. Niemand wurde festgenommen. Allerdings wollte Schily strafrechtliche Konsequenzen nicht ausschließen.

Eigentlich will Al-Aqsa das Leid in Palästina lindern, so der offizielle Vereinszweck. Doch Schily hält dies für vorgeschoben. In Wahrheit würden die Spenden missbraucht, um die Terrororganisation Hamas zu unterstützen. Diese bekannte sich erst am Wochenende wieder zu einem Anschlag auf einen Linienbus in Nordisrael, bei dem sieben Israelis und zwei Philippininnen ums Leben kamen.

Bereits seit Jahren wird spekuliert, dass Al-Aqsa in Wahrheit ein Hamas-Ableger sei. Auch im nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzbericht werden dem Verein Verbindungen zur palästinensischen Widerstandsbewegung nachgesagt. Da die Hamas allerdings gleichzeitig auch viele soziale Projekte finanziert, ist der Nachweis schwierig, dass Spendengelder militärischen Aktionen dienten. Woher das Bundesinnenministerium also seine „gesicherten Erkenntnisse“ hat, das wollte Schily gestern nicht sagen: Darüber gebe man „grundsätzlich keine Auskünfte“.

Al-Aqsa selbst hat stets vehement bestritten, dass die Vereinsgelder den Militäraktionen der Hamas zugute kommen. Kurz nach dem 11. September erklärte ein Vorstandsmitglied gegenüber der taz, man rechne nun allerdings mit erhöhter Aufmerksamkeit der deutschen Behörden. Gestern war niemand mehr zu erreichen – die Telefonleitungen von Al-Aqsa waren anscheinend gesperrt worden.

Neben der Hamas-Unterstützung führte das Innenministerium ein zweites Argument an, um das Verbot zu begründen: In seinen Spendenaufrufen würde Al-Aqsa „seit längerem die Unterstützung von ‚Märtyrerfamilien‘ in Palästina“ nennen. „Insbesondere Angehörigen von Selbstmordattentätern“ habe Al-Aqsa finanzielle Hilfen zugesagt. Das Schily-Ministerium weiter: „Dies ist geeignet und darauf angelegt, potenziellen Attentätern die Sorge um die materielle Zukunft ihrer Angehörigen zu nehmen.“

Doch so einfach ist die Exegese der Spendenaufrufe nicht. Dass „Märtyrerfamilien“ insbesondere die Angehörige von Selbstmordattentätern meine, lässt sich nicht unbedingt ableiten. Denn auch die Opfer israelischer Militäraktionen werden in Palästina durchgehend als „Märtyrer“ bezeichnet.

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