Israel protestiert gegen Brüssel

Belgien will seine Strafprozessordnung so verändern, dass doch ein Prozess gegen Ariel Scharon möglich würde

BERLIN taz ■ Noch Ende Juni konnte Israels Ministerpräsident Ariel Scharon eine gute Nachricht für sich verbuchen: Ein belgisches Berufungsgericht hatte entschieden, dass eine Anklage gegen Scharon in Belgien wegen seiner Rolle bei den Massakern von Sabra und Schatila 1982 nicht möglich sei. Die Strafprozessordnung sehe nämlich vor, dass sich ein Anzuklagender in Belgien aufzuhalten habe. Schon zwei Wochen später war es mit der Ruhe dahin: Mitte Juli teilten Sprecher der belgischen Mitte-links-Koalition mit, das entsprechende Gesetz werde verändert. Seither läuft die israelische Regierung erneut Sturm gegen die belgischen Bestrebungen. Vier Mitglieder des belgischen Senats argumentierten, die Klausel der Strafprozessordnung verstoße gegen den Geist der belgischen Gesetzgebung von 1993, nach der die belgische Justiz gemäß dem „Weltrechtsprinzip“ für Verbrechen gegen die Menschheit und Völkermord zuständig ist, unabhängig von der Nationalität der Opfer oder Täter oder dem Tatort. Sie wollen daher erreichen, dass die entsprechende Klausel bei Anklagen nach dem Weltrechtsprinzip keine Anwendung findet.

Schon vor zwei Wochen, so berichtete gestern die Agentur AP, hatte die israelische Regierung den belgischen Botschafter einbestellt, um ihm, wie es offiziell hieß, die Sorgen der Regierung mitzuteilen. Die israelische Regierung fürchtet, dass bei Annahme der rückwirkend wirksamen Veränderungen in Belgien doch noch ein Verfahren gegen Scharon möglich wird.

Ohnehin ist Israel auf die Versuche internationaler Strafjustiz nicht gut zu sprechen. Gemeinsam mit den USA tritt die Regierung vehement gegen einen Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) auf: Es ist auch das erste Land, das mit den USA einen bilateralen Vertrag geschlossen hat, der eine Zusammenarbeit mit dem IStGH ausschließt, insbesondere die Auslieferung von Soldaten an den zukünftigen Den Haager Gerichtshof.

Aus Belgien sind bislang keine Reaktionen auf den israelischen Druck bekannt geworden. Das Urteil des Brüsseler Berufungsgerichtes war der zweite Rückschlag für die universelle Rechtsprechung Belgiens in diesem Jahr. Bereits Ende Februar hatte der Internationale Gerichtshof in Den Haag einer Klage Kongos stattgegeben, nach der ein ehemaliger kongolesischer Außenminister nicht in Belgien vor Gericht gestellt werden konnte, weil er zum Tatzeitpunkt als Amtsinhaber Immunität genossen habe. BERND PICKERT