Major Tom bringt sich in Stellung

Südafrika bereitet sich auf eine führende Rolle als Friedensstifter im Afrika der Großen Seen vor. In Burundi steht schon eine Eingreiftruppe, die bedrohte Politiker bewacht. Nächstes Ziel ist der Kongo, und die Soldaten sind mehr als nur militärisch aktiv

aus Bujumbura DOMINIC JOHNSON

Major Tom lässt es sich gut gehen. In Shorts und Sandalen sitzt der rundliche schwarze Südafrikaner am weißen Plastiktisch unter dem großen Baum im Hotelgarten beim dritten oder vierten Bier und schaut dem Treiben der Mücken und der Huren zu. Die Mücken findet er lästig, die Huren unverschämt. „Hundert Dollar wollen die!“, schimpft er gutmütig. „Für einmal ficken! Das zahle ich nicht!“

Major Tom hat natürlich nicht selbst den Preis sondiert, sondern einen Untergebenen vorgeschickt, den er jetzt zu Verhandlungen zurückbeordert. Major Tom ist einer der Kommandanten der 700 Soldaten aus Südafrika in Burundis Hauptstadt Bujumbura. Die Truppe schützt Hutu-Politiker, die bei der Bildung der amtierenden Allparteienregierung im letzten November aus dem Exil zurückkamen. Bei radikalen Tutsi sind sie als Freunde der Hutu-Rebellen oder Völkermörder verschrieen und fürchten daher um ihr Leben.

An diesem Tag haben die Südafrikaner frei, da verlassen sie ihre Kaserne und ziehen ins Hotel. „Wir holen die Politiker von zu Hause ab, bringen sie ins Ministerium oder ins Parlament, warten draußen und bringen sie wieder zurück“, beschreibt Major Tom seine Mission. „Wir sind sozusagen Leibwächter.“

Für Südafrika ist das Ehrensache. Nelson Mandela handelte 2000 das Burundi-Friedensabkommen aus und fühlt sich für dessen Gelingen verantwortlich. Wenn alles klappt, wird der Einsatz nächstes Jahr in die Demokratische Republik Kongo verlegt. Südafrika hat auch das neue Friedensabkommen zwischen Kongo und Ruanda ausgehandelt. Die UNO soll die vorgesehene Demobilisierung der ruandischen Hutu-Milizen im Kongo übernehmen, Südafrika hat Truppen versprochen.

Major Tom hat seinen Marschbefehl schon: Von Januar bis Juni 2003 dient er im Kongo, hat ihm seine Regierung gesagt. „Wir gehen dahin, sobald die Simbabwer draußen sind“, erklärt er beim vierten oder fünften Bier. Südafrika hofft, dass ein Rückzug der Armee Ruandas aus dem Kongo auch den Simbabwes nach sich zieht. Simbabwes Armee schützt dort die Regierung von Joseph Kabila.

Den Burundi-Einsatz lässt sich Südafrika einiges kosten. 346 US-Dollar Prämie kriegt jeder einfache Soldat pro Tag, zusätzlich zum Sold von umgerechnet etwa 600 Euro im Monat. Major Tom kriegt sogar täglich 564 Dollar und hat zu viel getrunken, um das zu verschweigen. Die beiden jungen Burunder am Tisch, die auf seine Kosten Bier bestellt haben, staunen: Der Major verdient jeden Tag das fünffache burundische Pro-Kopf-Jahreseinkommen. Natürlich könnte er sich die hundert Dollar für eine Prostituierte leisten.

Major Tom kann kein Französisch und versteht nicht, worum es geht. „Ich verrate dir ein Geheimnis“, sagt er und betrachtet seine Erektion. „Ich habe Angst vor den Huren. Weißt du, da kriegt man vielleicht Aids. Da ficke ich einmal, und dann bin ich mein Leben lang tot!“ Von einer Hure, einer Tutsi-Frau ein paar Tische weiter, will er nichts mehr, beschließt er. „Ich werde jetzt Bier trinken und schlafen.“

1982 ging er zur Armee, erzählt der Major beim fünften oder sechsten Bier. Im Dienst des Apartheidregimes stand er an der Grenze zu Mosambik und schoss auf ANC-Untergrundkämpfer. „Ich habe viele getötet“, erinnert er sich. „Ich musste vor der Wahrheitskommission aussagen. Da setzt man sich hin, kriegt ein Glas Wasser und soll alles erzählen. Schrecklich war das.“ Befördert wurde er trotzdem. 1998 war er bei Südafrikas erster Post-Apartheid-Militärintervention dabei, in Lesotho. 2000 war er bei der UNO in Kongos Hauptstadt Kinshasa. Jetzt ist er in Burundi und will mehr als nur Leibwächter spielen. „Wir werden dafür sorgen, dass die Rebellen in den Bergen und die Armee hier sich zu einer Armee zusammenschließen“, tönt er. „Dann gehen wir in den Kongo und machen das da auch.“

Die beiden Burunder können kaum Englisch und verstehen nicht, worum es geht. Aber als Major Tom aufsteht und auf Zimmer 124 geht, fangen sie an zu schimpfen. „Die Südafrikaner sollten gehen“, findet Jean. „Sie wollen, dass wir Tutsi die Angreifer in unsere Armee aufnehmen. Stell dir vor: Leute, die mit Macheten Massaker verüben, sollen bei uns Soldaten werden! Guck sie dir doch an, die Südafrikaner. Sie haben Gesichter wie Hutu. Sie lieben die Hutu.“ Und er guckt verächtlich auf das verwaiste Bier von Major Tom.

Plötzlich fällt ein Schatten auf die Runde. Major Tom ist wieder da. Er strahlt über das ganze Gesicht. Was er bezahlt hat? „Nichts!“ brüllt er und dröhnt vor Lachen. „Ich liebe sie!“