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: Politik für die Arbeitslosen, nicht für die Statistik

Es ist tatsächlich wahr: Es gibt ein „Recht auf Arbeit“, festgeschrieben in Artikel 23 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ und in verschiedenen Verfassungen der Bundesländer (Bremen, Brandenburg!). Was hat das bisher genutzt? Nichts. Denn seit Jahrzehnten geht unserer „Arbeitsgesellschaft“ die Arbeit aus: Die Arbeiter und Angestellten arbeiten dank moderner Technik immer effizienter, und in den Fabriken erledigen Maschinen die monotone Drecksarbeit. Früher einmal, in Zeiten der Vollbeschäftigung, haben wir das sogar für einen Fortschritt gehalten.

 Dieser „Fortschritt“ ist unumkehrbar, in Zukunft werden immer weniger Menschen immer mehr Wohlstand produzieren. Das weiß im Grunde jeder, der sich mit Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik befasst: Kanzler Schröder und Kandidat Stoiber, Arbeitsminister Walter Riester und Kompenzteamler Lothar Späth. Trotzdem reden sie davon, wie sie die Arbeitslosigkeit flott abbauen wollen. Daran hindert sie offenbar nicht, dass so ziemlich alles Neue, was sie vorschlagen, längst ausprobiert worden ist: ABM-Stellen erst im Westen, dann im Osten; Lohnkostenzuschüsse in diversen Varianten (Kombilohn); Subventionen von Regionen und Existenzgründern; Qualifizierung von Jungen und Ausländern; bessere Arbeitsvermittlung (Jobaqtiv).

 Was hat es genutzt? Nichts für die Statistik – aber eine ganze Menge für die, die davon profitiert haben. Denn ohne diese Maßnahmen wären noch viel mehr Menschen schlecht ausgebildet oder lange Zeit arbeitslos und manche Regionen in Agonie versunken. Diese Politik ist also keineswegs erfolglos, nur dass sie eben nie zur Vollbeschäftigung führen wird.

 Immerhin das hat gestern auch der Chef der Bundesanstalt für Arbeit, Florian Gerster, erstmals öffentlich eingestanden, als er sagte, vier Millionen Arbeitslose seien eine „soziale Wirklichkeit“, die wir akzeptieren müssten. Damit ist er derzeit der einzige Politiker, der diese bittere Wahrheit ausspricht. Das darf allerdings nicht heißen, man könne nichts tun. Gerade weil Arbeit ein knappes Gut ist und deswegen keiner mehr ein „Recht auf Arbeit“ beanspruchen kann, sind die Politiker in der Pflicht: Kürzungen von Sozialleistungen und mehr Druck auf Arbeitslose bringen wenig, Investitionen in deren Ausbildung, Integration und Förderung einiges, nicht nur ökonomisch, auch sozial. Das Geld dafür kann bequem aus dem vorhandenen und ständig zunehmenden Reichtum der Gesellschaft geschöpft werden. In sozialdemokratisch hieß das mal: Umverteilung. Die mache sexy, schrieb kürzlich die DGB-Jugend. Das müsste dem Kanzler doch gefallen. DANIEL HAUFLER