Bekannte Schwachstellen

Die Luftwaffe wollte Abschlussbericht zum Absturz des Rettungshubschraubers „SAR 71“ mit fünf Toten in Hamburg unterdrücken. Dass die „sichere und robuste“ Bell UH/1D Mängel aufweist, ist in Insiderkreisen längst bekannt

Das Hick-Hack um die Herausgabe des Abschlussberichtes zur Absturzursache des Rettungshelikopters „SAR 71“ im März dieses Jahres in Hummelsbüttel scheint beigelegt. „Das ist alles ein Missverständnis“, sagt Staatsanwaltschaftssprecher Rüdiger Bagger beschwichtigend. „Die medizinischen Gutachten und Obduktionsergebnisse liegen uns vor, und das technische Gutachten bekommen wir auch.“ Seine Behörde werde dann entscheiden, welche Ergebnisse bekannt gegeben werden.

Die Militärs hatten zunächst die Veröffentlichung unter dem Vorwand des Datenschutzes verweigert – hanebüchen, weil gerade die Luftwaffe noch vor der Beerdigung der fünf bei dem Absturz Getöteten dem Piloten und dem Bordmechaniker wegen eines Restalkoholwertes von 1,5 und 1,2 Promille die alleinige Schuld an dem Unglück gegeben haben.

Die Militärs haben guten Grund, auf Diskretion zu pochen. Denn sonst könnte schnell die Mär der Unfallursache Alkohol zerplatzen und herauskommen, dass sehr wohl auch technische Mängel die Bell UH/1D vom Himmel stürzen ließen. Trotzdem wird am Schluss wohl auch das Wort „Pilotenfehler“ – wie so oft beim Absturz von Maschinen dieses Typs – stehen.

Denn dass das Zwei-Blatt-Rotorsystem anfällig ist, ist bei PilotInnen der Luftwaffe und des Heeres bekannt, bei denen über 300 Stück des 30 Jahre alten Vietnam-Veteranen als Transport- und Rettungshubschrauber eingesetzt werden. „Das 'Mastbumping' ist eine bekannte Schwachstelle der Maschine, das schon zu einigen Abstürzen geführt hat“, berichtet ein Heeresflieger der taz hamburg. Das werde aber nur bekannt, wenn sich die Abstürze auf zivilem Terrain oder bei öffentlichen Anlässen ereignen. So beim Absturz 1996 bei einer Bundeswehrschau in Dortmund mit 13 Toten und bei einem Unfall in Berlin-Tegel im April 1999 mit vier toten Soldaten.

Der Berliner Tagesspiegel meldete unter Berufung auf einen Offizier, dass in Tegel mehrere Faktoren zu dem Unglück beigetragen hätten. Zunächst habe es beim Landeanflug der Bell durch böigen Wind einen Luftströmungsabriss am Heckrotor gegeben. Dadurch geriet sie in eine Kreiselbewegung. In diesem Moment habe der erfahrene Pilot versagt, so der Offizier: „Vermutlich Panik.“ Der 40-jährige Hauptmann habe fälschlicherweise den „Collective“-Hebel nach oben gezogen, dadurch sei die gut vier Tonnen schwere Maschine zehn Sekunden lang in die Höhe geschossen, bis der Hauptrotor wegen des zu großen Drucks abbrach.

Parallelen zum Absturz in Hummelsbüttel drängen sich auf, bei dem neben den beiden Piloten ein Sanitäter, ein Notarzt und eine Bundeswehrärztin ums Leben kamen. Der in Hamburg in der Primärrettung eingesetzte „SAR 71“ (Search und Rescue) befand sich im rasanten Einsatz-Anflug. Kurz vor der Landung bestellte die Feuerwehr den Helikopter wieder ab. Statt den Landeanflug fortzusetzen und langsam zu drehen, startete der Pilot durch. „Er bemerkte dann offensichtlich, dass er bedrohlich in die Einflugschneise des Flughafens geriet“, meint ein Airport-Angestellter.

Daher habe er keine lange Kurve, sondern eine schnelle Wende fliegen wollen: Kurzes, steiles, schräges Hochziehen der Maschine, um sie dann nach einer Kehrtwende absacken zu lassen, und mit der Nase nach vorn seicht wieder abzufangen. „Dabei wirkt auf den Rotor ein Druck von oben nach unten. Dass dabei die Rotorblätter abbrechen können, ist nicht untypisch“, sagt eine Flugzeugbauingenieurin. „Diese Pilotenfehler kommen in den unterschiedlichsten Flugsituationen vor.“ Und was für andere Heli-Typen vielleicht unproblematisch ist, wurden alten Bell UH/1D zum Verhängnis.

Inzwischen fliegt eine Ersatzmaschine gleichen Typs als „SAR 71“ wieder an Hamburgs Himmel. MAGDA SCHNEIDER