Nur Offiziere bezweifeln die Schuld

Die früheren Vorgesetzten verteidigen den wegen Vergewaltigung verurteilten Exsoldaten Ronny P. Das Landgericht München sieht den Fall anders: P. habe die Bundeswehr-Bewerberin nachts in seine Stube verschleppt und vier Stunden lang missbraucht

aus München OLIVER HINZ

Sofort nach Verlassen des Gerichtssaals schimpfte Kompaniechef Rudolf Ginskey über das Urteil gegen seinen früheren Untergebenen: „Für mich ist das ein Skandal, weil man sich den Fall einfach zurechtgelegt hat.“ Wegen Vergewaltigung einer Bundeswehr-Anwärterin schickte das Landgericht München den damaligen Zeitsoldaten Ronny P. (23) für fünfeinhalb Jahre ins Gefängnis.

Ginskey, dem der verurteilte ehemalige Obergefreite an der Münchner Sanitätsakademie der Bundeswehr unterstand, sagte: „Der Verteidiger konnte alle Anklagepunkte mit Beweisen widerlegen.“ Ronnys ehemaliger Zugführer Robert Stannecker, inzwischen zum Kompaniechef befördert, schloss sich der Schelte an. Der Vorsitzende Richter sei „für den Fall der falsche Mann“.

Drei Monate nach der Zulassung von Frauen zum Dienst an der Waffe bestand die damals 17-jährige Frau aus der Region Karlsruhe einen dreitägigen Aufnahmetest im „Zentrum für Nachwuchsgewinnung Süd“. Sie wollte zu den Fallschirmspringern.

Die Münchner Richter sahen es als erwiesen an, dass der 23-Jährige im März 2001 die damals Bundeswehr-Bewerberin nachts in seine Stube verschleppt und vier Stunden lang missbraucht hat. Das Opfer war wie der Täter in dem Militärgebäude einquartiert.

In dem sieben Monate dauernden Mammutprozess stand nach Angaben des Verteidigungsministeriums erstmals ein Soldat wegen Vergewaltigung einer Bundeswehr-Bewerberin vor Gericht. Der Bericht des Wehrbeauftragten allerdings listet für das Jahr 2001 eine weitere Vergewaltigung auf, die aber noch zu keiner Verurteilung führte.

Im Münchner Fall hatte die junge Frau den unverheirateten Vater einer zweijährigen Tochter bei einer polizeilichen Gegenüberstellung als Täter identifiziert. Der Obergefreite, der angegeben hatte, sich an nichts erinnern zu können, gehörte zur Tatzeit der Sanitätsakademie an, die sich wie das „Zentrum für Nachwuchsgewinnung Süd“ in der Ernst-von-Bergmann-Kaserne befindet. Die Verteidigung hatte Freispruch beantragt, Staatsanwaltschaft und der Anwalt des Opfers sieben Jahre Haft.

Auf die Vergewaltigung der Anwärterin für die Kampftruppe so kurz nach der Öffnung aller Laufbahnen für Frauen hatten Politiker mit Empörung reagiert. Ein 32 Jahre alter Feldwebel, dem sich die 17-Jährige nach der Tat anvertraute, hatte das Verbrechen zunächst vertuschen wollen. Wegen versuchter Strafvereitelung verurteilte ihn das Amtsgericht im Herbst zu einer Geldbuße von 3.000 Euro. Die Bundeswehr entließ den Feldwebel.

Der seit 16 Monaten in Untersuchungshaft sitzende Vergewaltiger gehört seit Oktober nicht mehr der Bundeswehr an. Sein zweijähriger Vertrag wurde nicht verlängert.

Wie sich in dem Prozess herausstellte, hatten die 17-Jährige und zwei Kameradinnen während ihres Kasernenaufenthalts Sex mit Soldaten, bevor es zur Vergewaltigung kam. Das machte sich Verteidiger Hubertus Werner zu Nutze. In seinem Plädoyer zitierte er einen Soldaten, der über das Opfer gesagt habe: „Die ist ja nur für den Geschlechtsverkehr da.“ Die Bewerberinnen waren nach ihren Eignungstests noch zwei Tage länger in der Kaserne geblieben.

Unterdessen hagelt es aus Politik und Bundeswehr Kritik am Verteidigungsministerium. Der Bundeswehrverband klagte, dass die Führung „kein realistisches Bild“ von der Lage der Soldatinnen habe. Die Integration der Frauen sei keineswegs so problemlos, wie behauptet würde. Auch im Bericht des Wehrbeauftragten hieß es, die bisherigen Maßnahmen der Truppe „genügen nicht“.