„Mad Dog“ auf Samtpfötchen

Der protestantische Extremist Johnny Adair will sich jetzt politisch für den Friedensprozess in Nordirland einsetzen

Neulich trug er einen Hugo-Boss-Anzug, und niemand erkannte ihn. Johnny Adair, genannt „Mad Dog“, war zu einer Hochzeit eingeladen und hatte sein schwarzes T-Shirt und die Baseballmütze zu Hause gelassen. Zu Hause – das ist die Shankill Road, ein protestantisches Viertel im Westen der nordirischen Hauptstadt Belfast. Dort wuchs Adair auf, dort begann seine mörderische Karriere. Als Jugendlicher wurde er einmal bei einer Parade der faschistischen National Front beim Klebstoffschnüffeln fotografiert. „Ein Fehler“, sagt er heute.

Kurze Zeit später trat er der Ulster Defence Association (UDA) bei, eine paramilitärischen Organisation, die hunderte von Katholiken getötet hat. 22 sollen auf Adairs Konto gehen, er soll als Kommandant der Shankill-Brigade an den Morden in den Achtziger- und Neunzigerjahren zumindest beteiligt gewesen sein. Nachweisen konnte man ihm nur die „Leitung terroristischer Aktivitäten“; dafür wurde er 1996 zu 16 Jahren Gefängnis verurteilt.

Dass man ihm etwas nachweisen konnte, ist seiner Eitelkeit zu verdanken. Er prahlte ständig gegenüber Streifenpolizisten mit seinen paramilitärischen Taten, und irgendwann hatten die Beamten ein Tonbandgerät dabei und schnitten Adairs Geständnis mit. Lange musste er nicht im Gefängnis ausharren. 1999 kam er infolge des Belfaster Friedensabkommens frei.

2000 saß er wieder ein. Die Polizei beschuldigte ihn, eine zentrale Rolle bei der Blutfehde zwischen der UDA und der rivalisierenden protestantischen Ulster Volunteer Force gespielt zu haben. Sechs Menschen kamen dabei ums Leben. An einer Giebelwand auf der Shankill Road gibt es noch heute ein Wandgemälde, auf dem Adair abgebildet ist. Darunter steht: „Free J. Adair“.

Seit drei Monaten ist er wieder frei. Und geläutert, wenn man ihm glauben kann. Er wolle sich ganz für den Frieden einsetzen und seinen Einfluss geltend machen, um die „Spannungen“ zwischen katholischen und protestantischen Vierteln in Belfast zu entschärfen.

„Spannungen“ ist ein Euphemismus: Jede Nacht überfällt Adairs UDA die benachbarten katholischen Viertel, zündet Häuser an und versucht, die Anwohner zu vertreiben. Seit einer Woche haben die Attacken noch zugenommen. Das hat dazu geführt, dass die IRA-Partei Sinn Féin am Donnerstag mit der UDA verhandelte, in dieser Woche wird der britische Premierminister Tony Blair es auch tun. Wenigstens verlief eine der umstrittensten Paraden der Protestanten am Samstag relativ friedlich.

Adair ließ sich dort nicht blicken. Der 37-Jährige hat eine Mickymaus-Tätowierung und gepiercte Brustwarzen. Früher spielte er in der Punkband „Offensive Weapon“, heute mag er Bob Marley und Van Morrison – und Tina Turners Song „Simply the Best“. Adair und seine Frau haben vier Kinder und drei Schäferhunde. Sein Sohn Jonathon, 17, wurde unlängst von der UDA wegen „antisozialem Verhalten“ mit einem Beinschuss bestraft. Er denke nicht an Rache, sagte Vater Adair, es sei ihm nur peinlich, dass so etwas seinem Sohn passieren musste. Er denke lieber über eine politische Karriere nach. Bei den Wahlen zum Regionalparlament im Mai 2003 will er kandidieren: „Die protestantische Arbeiterklasse braucht jemanden, der ihre Interessen im Belfaster Parlament vertritt“, sagt er, „ich könnte dieser Mann sein.“ RALF SOTSCHECK