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: Verbesserter Schutz vor Sexualstraftätern

„Ein Restrisiko bleibt immer“

Seit März ist alles auf den Prüfstand gekommen: Haftbedingungen, Gutachten, Haftlockerungen. Das Justizressort rotierte – weil ein inhaftierter Sexualstraftäter seinen gutachterlich abgesegneten Freigang dazu genutzt hatte, eine Prostituierte zu vergewaltigen und anschließend umzubringen. Ein vermeidbarer Fall, wenn der Freigang anders geregelt worden wäre?

Vermutlich nicht. Rund 20 Prozent der entlassenen Sexualstraftäter werden rückfällig. Das besagen wissenschaftliche Forschungen. Und sie besagen auch, dass weitere 49 Prozent zwar keine Sexualdelikte mehr begehen, aber dafür andere Straftaten. „Ein Restrisiko bleibt also immer“, musste auch Justizstaatsrat Ulrich Mäurer eingestehen. Dennoch hat er gestern ein neues Paket an Maßnahmen vorgestellt – um wenigstens nichts unversucht zu lassen, was die Bevölkerung vor „gefährlichen Straftätern“ schützen könnte.

Ein gutes halbes Jahr Arbeit haben Justizressort, Staatsanwaltschaft, Justizvollzugsanstalt (JVA) und Gutachter an dem neuen Regelwerk gerungen. Alles immer unter der Fragestellung: Sind die Regeln des Bremer Strafvollzugs zum Schutz der Bevölkerung noch angemessen? Oder muss diese Praxis geändert werden. Immerhin gibt es in Bremen durchschnittlich 120 Verfahren wegen des Verdachts auf Sexualstraftaten.

Heraus kam eine Anweisung, die die Latte für die derzeit 35 einsitzenden Sexualstraftäter in Bezug auf Freigänge und Urlaub deutlich höher hängt. So soll es Haftlockerungen nur noch nach Absprache mit der Hausspitze geben. Bei den vorbereitenden „Haftlockerungsgesprächen“ werden aber auch schon die zuständigen Staatsanwältinnen ein Wörtchen mitzureden haben. Urlaub dagegen werden die Häftlinge künftig erst 18 (statt früher 28) Monate vor Haftende kriegen. Und auch für die vieles entscheidenden Gutachten sollen die Standards erhöht und spezielle Seminare für die Gutachter eingeführt werden.

„Man weiß, dass man mit Therapien die Rückfallquote von 20 Prozent auf zwölf bis zehn Prozent senken kann“, sagt zum Beispiel Nahlah Saimeh, die Leiterin der Klinik für forensische Psychiatrie im ZKH Ost. Eine wirkliche Reflektion der Tat durch bloßes Absitzen in der Haftstrafe finde dagegen nicht statt. Deshalb gebe es in den JVAs, wo rund 90 Prozent der Sexualstraftäter unterkommen, „einen erheblichen Bedarf an gesprächstherapeutischer Intervention“.

Die soll es in Zukunft auch geben: JVA-Chef Manfred Otto will deutlich „mehr Täter an die Therapie heranführen“. Ein Psychologe soll dafür jetzt eingestellt werden, um „mehr auf die Menschen einwirken zu können“. Kosten wird das Zusatz-angebot das Justizressort einiges: Rund eine Millionen Euro, schätzt das Justizressort.

Und dennoch: „Auch künftig wird es zu Fehlentscheidungen kommen“, warnt Mäurer. Selbst der Mord im März wäre mit dem neuen Bremer Regelwerk nicht zu verhindern gewesen.

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