Arabische Touristen meiden den Westen

Statt in Europa und den USA machen reiche Golfstaatler lieber Urlaub im Libanon oder in Ägypten

KAIRO taz ■ Wo sollen wir die Sommerferien dieses Jahr verbringen? Eine Frage, die nach dem 11. September eine neue Bedeutung erlangt hat. Während in Europa und den USA die Devise lautet: Fliege so wenig wie möglich und meide die Terrorbrutstätte Nahost, ziehen reiche arabische Touristen aus den Golfstaaten den Umkehrschluss. Statt der bisherigen Sommerfrische in den Schweizer Bergen, London oder New York sind bei den Golfarabern dieses Jahr arabische Reiseziele besonders in. „Beirut, Beirut und noch mal Beirut, dann Kairo“, fasst ein kuwaitischer Reiseveranstalter die diesjährige Nachfrage zusammen.

Die Golftouristen wollen sich nicht den Belästigungen in Europa und den USA aussetzen, als potenzielle Terroristen betrachtet zu werden. Seit dem 11. September wurden für sie die Visabedingungen im Westen verschärft. Auf ein US-Visum warten auch unbescholtene Araber bis zu 45 Tage. „Die Golfaraber wollen wie alle Menschen im Urlaub eine gute Zeit verbringen und sich nicht der Gefahr aussetzen, im Rahmen der Antiterrorbekämpfung aus Versehen in einem westlichen Gefängnis zu landen“, beschreibt ein ägyptischer Reisebürobesitzer die Stimmung.

Sommerreisen von Kuwait in die USA sind im Vergleich zum Vorjahr um 70 Prozent zurückgegangen. Angebote nach New York werden inzwischen in Kuwait verramscht, schreibt die arabische Tageszeitung Al-Hayat. Ähnliches gelte für Europa.

Dagegen boomt es im Libanon. Dank der Golfaraber wird in Beirut jetzt ein Touristenhöchststand erwartet, der das bisherige Rekordjahr 1974, ein Jahr vor Ausbruch des libanesischen Bürgerkrieges, noch übertreffen soll. Damit das klappt, hat der Libanon jegliche Visumpflichten für Golfaraber abgeschafft.

Auch in Kairos Straßen, Fünfsternehotels und Einkaufszentren ist vermehrt zu beobachten, wie Männer in blütenweißer Dischdascha-Tracht und karierten Kopftüchern voranschlendern, gefolgt von einer Gruppe schwarz verschleierter Frauen, mit Einkaufstüten behängt. „Warum sollte ich jetzt nach New York oder Europa reisen? Ich möchte eine unbeschwerte Zeit verbringen“, erklärt Khaled Wigdani, ein saudischer Geschäftsmann. Zudem fühle er sich wohler, wenn er sein Geld in einem arabischen Land ausgebe.

Auf eine Steigerung der Golftouristen bis zu 20 Prozent hofft das ägyptische Tourismusministerium für dieses Jahr. Die Besucher aus den ölreichen Wüstenstaaten zählen im Sommer zur wichtigsten Devisenquelle des Landes. Denn neben viel Geld bringen sie auch viel Zeit mit.

Während europäische Touristen meist paarweise auftreten und maximal zwei bis drei Wochen bleiben, oft als nicht gerade üppig betuchte Rucksacktouristen, kommen die Golfaraber mit ihren Großfamilien plus Dienerschaft und verbringen oft ganze drei Monate des Sommers in Ägypten. Auch sonst ist ihr Ferienverhalten eher einzigartig: „Sie mögen kein Sightseeing-Programm. Pyramiden und Museen sind ihnen egal. Stattdessen wollen sie einkaufen gehen, oft den in ihren Ländern verbotenen Alkohol konsumieren und in Klubs abhängen. Die ganze Nacht sind sie wach, und tagsüber schlafen sie“, sagt ein ägyptischer Reiseveranstalter.

Kairos Fünfsternehotels haben sich auf den Sommerboom eingestellt. Statt US-Filme am Morgen zeigt das Marriott-Kino nun nachts arabische Filme. Die Cafés der Hotels warten mit einem breiten Sortiment an Wasserpfeifen auf, und im Hotelgarten widmet sich „Fantasia-Land“ den Disney-Bedürfnissen der jungen Golfkundschaft bis nach Mitternacht, dann, so der deutsche Marriott-Hotelmanager Ulrich Huth, „wenn sich die europäischen Touristenkinder schon lange schlafen legen mussten“. Sicher käme, so Huth, die Zunahme der Golfsommerfrischler den ägyptischen Hotels entgegen. Über das Jahr verteilt ließe sich der Ausfall europäischer Touristen nach dem 11. September allerdings nicht ausgleichen.

Doch die ägyptische und libanesische Tourismusbranche muss aufpassen. Am Ende könnten sie am kürzeren Hebel sitzen, denn der innerarabische Reiseboom muss nicht ewig andauern. Schon versuchen andere Staaten, die New Yorker Lücke für sich zu nutzen. Mit Werbespots in dem arabischen Satellitensender al-Dschasira buhlen seit Monaten auch ostasiatische Länder um touristische Petrodollars. KARIM EL-GAWHARY