Aufzug für Ruderer

Bisher war die große Schleuse am Weserwehr für Ruderer und Kleinschiffe ein Hindernis. Das jüngste Baby von Baumeisterin Stromberg, eine kleine Wassertreppe, schafft Abhilfe

Die neue Schleuse bringt vor allem kleine Boote aufs richtige Niveau

Der Käpt’n des kleinen Seglers manövriert sein Schiff vorsichtig bis zur gelben Markierung an den stählernen Wänden der Schleuse am Weserwehr. Ein Druck auf den weißen Schalter, der vom Geländer am Schleusenrand baumelt, und aus dem Wasser hinter dem Kahn schiebt sich langsam eine schwere Stahlwand empor. Unmerklich sinkt der Wasserspiegel in der Kammer, am Bug des Schiffes versperrt das andere Schleusentor den Blick weserabwärts. Wenn es sich öffnet, kann die Fahrt vier Meter tiefer weitergehen, am Weserstadion und der Bremer Düne vorbei Richtung Nordsee.

Die neue Schleuse am Weserwehr vervollständigt das Habenhausener Stauwerk-Ensemble. Nach dem 1993 erneuerten Wehr, das den Pegel der Mittelweser aufrecht erhält, und der großen Schleuse für größere Transportschiffe soll die 25 Meter lange und 6,50 Meter breite Kleinschifffahrts-Schleuse vor allem Ruder- und Sportbooten und kleineren Kähnen über die viereinhalb Meter Höhenunterschied helfen.

Für die Ruderer ist die neue Schleuse ein erheblicher Vorteil: „Früher kam man nur am Weserwehr vorbei, wenn die große Schleuse geöffnet war, nicht einmal Umtragen konnte man das Boot“, berichtet Anne Scheller, Ruderjournalistin und selbst aktive Sportlerin. „An Sonntagen kamen wir überhaupt nicht durch, weil die Schleuse wegen mangelnden Handelsverkehrs nur vormittags in Betrieb war“, so Scheller. Über die kleine Wassertreppe kommen die Wassersportler nun rund um die Uhr weiter. Zudem gibt es nun auch eine Anlegerstelle, über die man sein Boot bei Bedarf um das Wehr herumtragen kann.

Damit einsame Schleusenwärter sich nicht die Nacht um die Ohren schlagen müssen, setzen die Kanuten ihren kleinen Schiffslift selbst in Gang: Auf beiden Seiten hängt vor den Schleusentoren ein Schalter vom Ufergeländer, den Argonauten und Jachtbesitzer selbst bedienen können. „Keine Schleuse in Deutschland bietet so viel Komfort“, lobt Gaby Stromberg aus dem Bundesverkehrsministerium, die für den Schleusenbau zuständig ist. Haben die elektronischen Scanner überprüft, ob auch nichts zwischen den Toren eingeklemmt ist, wird der Pegel automatisch ausgeglichen. „Von sechs bis 22 Uhr überwacht zusätzlich ein Wächter den Schleusenbetrieb“, sagt Stromberg. Wer außerhalb dieser Zeiten in eine Notsituation geraten sollte, drückt den roten Alarmknopf auf dem Schleusen-Schalter – die Wachleute der Wasser- und Schifffahrtszentrale am Franziuseck werden dann aus dem Schlaf gerissen. „Es dauert allerdings ein Weilchen, bis Hilfe kommt“, bedauert Torsten Stengel, stellvertretender Leiter des Bremer Wasser- und Schifffahrtsamtes. Da der TÜV die Anlage geprüft habe, bestehe aber kein nennenswertes Risiko.

Wie gut, dass nur äußerst selten extreme Stromwellen die Weser herunterdonnern: In diesem Fall, erklärt ein Weserwehr-Mitarbeiter, sei eine Schleusung nicht mehr nötig. Dann werde nämlich die gesamte Anlage überflutet.

Völlig schutzlos ist die nachts unbemannte Anlage indes gegen Schabernack und Vandalismus: Der Wasserstandsausgleich kann jederzeit vom Ufer aus in Gang gesetzt werden, die Kabel sind leicht zu kappen. Und der rote Alarmknopf liegt genau neben dem weißen Start-Knopf – eine Erläuterung fehlt noch. Die Kameras zeichnen lediglich auf, was in der Schleuse passiert, werden aber nicht live überwacht. „Wir appellieren auch an den gesunden Menschenverstand der Nutzer“, so Stromberg.

Und damit sich möglichst viele potentielle Schleuser und Schaulustige informieren, gibt es am 24. August einen Tag der offenen Tür auf dem ganzen Weserwehr-Gelände. Eine Big Band wird das Rauschen der Wassermassen begleiten, kleine Landratten können sich in einer Hüpfburg vergnügen. Wahrscheinlich erkunden sie aber lieber die Geheimnisse des Wehrs: Einige Teile werden für die Schifffahrt gesperrt sein, damit die gewaltigen Maschinen zu besichtigen sind, die unter den Betonmassen ihre Arbeit verrichten. Und eine Fahrt mit dem Lastkahn durch die – im Vergleich zu der mächtigen Staumauer – kleine Schleuse ist natürlich auch möglich.

Sebastian Kretz