Hartz’ Jobwunder gibt es schon

Im Kleinen versucht die Stadt Wolfsburg vorzumachen, was Peter Hartz heute dem Land empfehlen wird: Die Joblosigkeit zu halbieren. Die „Wolfsburg AG“ reduzierte die Zahl der Arbeitslosen in vier Jahren drastisch – mit dem VW-Konzern als Paten

aus Wolfsburg JÜRGEN VOGES

VW-Manager Peter Hartz wird heute im Französischen Dom in Berlin sein seit Wochen diskutiertes Arbeitsmarktpapier als Ganzes vorstellen. Ziel ist, was seit Jahrzehnten in der Bundesrepublik misslingt – die Senkung der Arbeitslosigkeit.

Wenn der Regierungsberater verspricht, die Arbeitslosigkeit zu halbieren, dann tut er das nicht zum ersten Mal. Das Hartz-Modell fürs ganze Land hat einen Vorläufer mit dem gleichen Ziel: Die Stadt Wolfsburg.

Zum 60-jährigen Jubiläum im Jahr 1998 schenkte Hartz der Heimatstadt des Volkswagens die „Wolfsburg AG“ – sie sollte helfen, die erschreckend hohe Arbeitslosenrate von 17,2 Prozent zu halbieren. Was Hartz der Deutschland AG verheißt, gelang in der VW-Stadt. Im Sommer 2002 betrug die Joblosigkeit im Schnitt 8,5 Prozent – exakt die versprochene Hälfte von 1997.

Die Wolfsburg AG, bei ihrer Gründung von VW und Stadt mit einem Stammkapital von 10 Millionen Euro ausgestattet, hat ihren Sitz im „Forum AutoVision“ im Nordwesten der Stadt. In sechs quaderförmigen dreistöckigen Gebäuden sind dort die AG selbst und jene Personalserviceagentur untergebracht, die Vorbild für den Umbau der deutschen Arbeitsämter werden soll. Sind Wolfsburgs Methoden auf die Bundesrepublik anwendbar?

Grundidee der Wolfsburg AG war, so schnell neue Arbeitsplätze entstehen zu lassen, wie alte Jobs verschwanden. „Grabt die Welt um, sucht nach neuen Ideen“ – so feuerte der VW-Personalchef Hartz seine Mitarbeiter in Wolfsburg an. Zu den neuen Ansätzen gehört, dass im Gebäude der AG auch gleich die von ihr initiierten Gründerfirmen eine Heimat fanden. 140 kleinere Unternehmen mit 840 Arbeitsplätzen sind dort entstanden – vor allem für Informationstechnologen, Planer, Consultants.

Klaus Dierkes ist stolz auf das Erreichte. Aber der Vorstandssprecher der Wolfsburg AG ist auch streng – er findet, dass seine Firma ihr Ziel noch nicht erreicht hat. Beim Schrumpfen der Wolfsburger Arbeitslosigkeit hat der mächtige VW-Konzern mitgeholfen. Zu den 11.000 Arbeitslosen Wolfsburgs im Jahre 1997 gehörten zum Beispiel 3.000 VW-Vorruheständler – Menschen, die nach einiger Zeit von selbst aus der Statistik verschwanden.

Der Chef der Wolfsburg AG Dierkes nimmt es mit der Halbierung der Arbeitslosigkeit sehr genau. Dierkes geht wegen des Ruheständler-Bonus von VW von real 7.700 Arbeitslosen in Wolfsburg im Jahr 1997 aus. Also will er bis Ende 2003 mit seiner Firma 3.800 neue Arbeitsplätze schaffen – um die Arbeitslosigkeit tatsächlich zu halbieren.

Der Volkswagenkonzern hilft, wo er kann

Für den größten Zuwachs an Jobs haben wiederum nicht die 140 Gründerunternehmen gesorgt, sondern der Pate VW. 80 Zulieferbetriebe von Volkswagen mit insgesamt neuen 1.950 Arbeitsplätzen wurden angesiedelt. Auch die Wolfsburg AG selbst ist Arbeitgeber. 140 Jobs bietet die AG selbst an, 70 bis 80 die Personalserviceagentur.

Die Agentur arbeitet mit Gewinn. Sie ist Herzstück der Wolfsburger Mischung von Qualifizierung, Vermittlung von Arbeitskräften sowie Wirtschaftsförderung, mit der Hartz auch in den Problemregionen Deutschlands Erfolg haben will. Im vergangenen Jahr hat die Personalserviceagentur gut 3.000 Zeitarbeitskräfte vermittelt – nicht nur in Wolfsburg, sondern auch an anderen VW-Standorten.

Allein in Wolfsburg wurden 2001 von insgesamt 500 Zeitarbeitern rund 250 in unbefristete Arbeitsverhältnisse bei den Firmen übernommen. Anders als normale Zeitarbeitsfirmen hat die Wolfsburg AG kein Interesse daran, ihre guten Mitarbeiter zu halten. Die Agentur qualifiziere ihre Mitarbeiter rechtzeitig für neu entstehende Dauerarbeitsplätze, sagt Klaus Dierkes.

Für die Arbeit: Skifahren in Wolfsburg

Wie Hartz und seine Regierungskommission im Großen setzt man auch in Wolfsburg „auf den Klebeeffekt“ – darauf also, dass möglichst viele bei den Firmen hängen bleiben, an die sie zunächst auf Zeit vermittelt sind.

In Wolfsburg schwört man auf den Spiritus Rector der Wolfsburg AG, den Sozialdemokraten Peter Hartz. Dennoch gibt es gesunde Zweifel, ob Wolfsburg auf die Republik übertragbar ist. Die von der Hartz-Kommission geplante Umwandlung der Landesarbeitsämter in Kompetenzzentren etwa stoße an Grenzen, so Dierkes. Denn Wirtschaftsförderung sei Sache der Länder – und nicht die des Bundes oder der Bundesanstalt für Arbeit.

Dennoch, in Wolfsburg scheinen auch verrückteste Hartz-Ideen wahr zu werden. Die Autostadt von VW in Wolfsburg ist mittlerweile das beliebteste Ziel für Tagesausflügler in Niedersachsen. Unweit der Autostadt ist eine Erlebniswelt für Touristen geplant, samt der Möglichkeit zu Ski-Abfahrten in der Halle – und mit Arbeitsplätzen.