Glücksfall für den Altvater

Beim Ironman in Frankfurt will Triathlon-Veteran Jürgen Zäck (37) unter Beweis stellen, dasser noch längst nicht das ist, als was ihn ein Magazin schon vor Jahren hinstellte: altes Eisen

aus Frankfurt/Main FRANK KETTERER

Gut sieben Jahre ist es jetzt schon her, aber Jürgen Zäck, der Ironman, kann sich noch immer ganz genau daran erinnern, wie es ihm einen Stich versetzt hat in der Magengegend, als er sich damals an einer Tankstelle die aktuelle Ausgabe von Sports besorgt hatte und in der damals renommierten Sportillustrierten zu lesen war, dass er höchsten Ansprüchen ab sofort nicht mehr genüge. Vielmehr gehöre er zum alten Eisen, da hierzulande nun die so genannten jungen Wilden das Kommando übernommen hätten, die Leders und Hellriegels also.

„Ich habe gedacht, die spinnen“, erinnert sich Jürgen Zäck an seine erste Gefühlsregung bei der Lektüre. Dann hat er den Termin, zu dem er auf dem Weg war, schnurstracks abgesagt und ist auf dem schnellsten Wege wieder nach Hause gefahren, „um mir eine extra Trainingseinheit zu geben“.

Die Sonderschicht scheint gewirkt zu haben, zum alten Eisen zählt Jürgen Zäck jedenfalls auch sieben Jahre später noch nicht, wie sein morgiges Vorhaben beweist: Wenn alles nach Plan läuft, möchte sich der 37-Jährige irgendwann am Nachmittag auf dem Frankfurter Römer als Sieger des erstmals ausgetragenen Ironman Germany rund um Frankfurt der Menge präsentieren – unter anderem vor Lothar Leder aus Darmstadt oder dem Pforzheimer Norman Stadler, den mittlerweile auch nicht mehr ganz so jungen Wilden.

Totgesagte leben eben doch länger, Zäck ist dafür der Beweis. Dennoch spricht der eiserne Mann aus Valendar bei Koblenz von einem „Neuanfang“. Was weniger mit seinem triathletischen Schaffen zu tun hat, das war in den vergangenen beiden Jahren schon auch nicht ohne: Jeweils Sieger wurde Zäck da beim Ironman Austria in Klagenfurt, seine Zeiten von 8:06:58 Stunden sowie 8:07:16 waren nicht nur absolute Weltklasse, sondern die schnellsten, die 2000 und 2001 über die dreigeteilte Schinderei von 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 km Radfahren sowie den abschließenden Marathon überhaupt erreicht wurden.

Nur hat diesen beachtenswerten Umstand hier zu Lande kaum jemand wahrgenommen, Klagenfurt ist weit weg, und die Szene der dreikämpfenden Frauen und Männer recht ignorant. „In Deutschland zählt, was Triathlon angeht, eben nur Roth und Hawaii“, weiß auch Jürgen Zäck – und bei beiden Rennen war er zuletzt nicht am Start: Mit dem Veranstalter in Roth hatte er sich vor drei Jahren ziemlich hoffnungslos überworfen, was am Ende sogar vor dem Kadi endete, obwohl der Event im fränkischen Triathlon-Mekka stets sein Paraderennen war, wie die fünf Siege dort beweisen. Bei den letzten beiden Saisonhöhepunkten auf Big Island, wo Zäck als beste Platzierung einen dritten Platz von 1997 stehen hat, musste er verletzungsbedingt passen. Das reicht allemal aus, um hierzulande in Vergessenheit zu geraten, schließlich finden andere Ironman-Rennen im deutschen Blätterwald höchstens in den Ergebnislisten statt. Zäck mag das als ziemlichen Skandal empfinden, ändern, das weiß er, kann er es nicht.

So gesehen ist der neue Ironman Germany, der nach ebenso langen wie dubiosen Lizenzstreitereien von Roth nach Frankfurt gewandert ist, wenigstens für den Altvater des deutschen Triathlons ein Glücksfall. Endlich kann Zäck sein Exil in Österreich und den Ergebnisspalten verlassen und wieder mitten hineinstürmen in die Schlagzeilen, den Mittelpunkt, ins Rampenlicht, dorthin also, wo der blonde Sonnyboy gerne steht – zumindest fühlt er sich da nicht unwohl.

Zäck is back, könnte man also über den Sonntag in Frankfurt schreiben, aber das ist nach Zäcks Eigenansicht natürlich nicht ganz korrekt – er war ja nicht weg, zumindest nicht so, wie vor drei Jahren, als seine sportliche Karriere tatsächlich und mächtig ins Wanken geraten war. Einen Nervenschaden von 20 Prozent hatten die Ärzte damals, nach seinem zweiten Bandscheibenvorfall, im rechten Bein diagnostiziert, von „Hängefuß“ war die Rede, Mediziner nennen das so. „Die haben mir tatsächlich gesagt, dass ich nie mehr richtig laufen kann“, erzählt Zäck von den bittersten Stunden seines sportlichen Tuns, kurzzeitig saß er sogar im Rollstuhl. Unterkriegen hat er sich davon freilich nicht lassen: Kein Jahr später hat er erstmals den Ironman von Klagenfurt gewonnen.

Jetzt also Frankfurt, Ironman Germany, ein Neuanfang mit 37. Seit 20 Jahren widmet sich Jürgen Zäck nun schon dem Triathlon – und er liebt ihn immer noch, anders wäre es ja auch kaum möglich: Dass einer so lange mitmischt in der Weltspitze, zumal in einer Sportart, die sich sehr gewandelt und entwickelt hat, gerade was die Professionalität angeht – und die Zeiten der Sieger.

Jürgen Zäck hat die Evolution seiner Sportart einfach mitgemacht, mehr noch: mitgeprägt. Immer wieder hat er seine Trainingsmethoden hinterfragt, seine Lebensgewohnheiten verändert und dem neuesten Stand der Trainingslehre angepasst. Mal hat er seine Ernährung umgestellt, mal seinen Laufstil, nur um noch ein paar Minuten oder nur Sekunden herauszuquetschen auf den alles in allem 226 Kilometern. „Ich habe da viel experimentiert und selbst entwickelt“, sagt Zäck, Triathlon in der Weltspitze ist eine stete Tüftelei an der eigenen Form, nicht selten stößt sie in Grenzbereiche.

Zu was das im Wettkampf führen kann, hat Jürgen Zäck selbst vorgemacht, 1997 beim Jahrhundertrennen in Roth war das: Zweiter ist er damals geworden hinter dem Belgier Luc van Lierde, bei sensationellen 7:51:42 Stunden blieb die Uhr für ihn stehen, die Zeit ist nach wie vor die zweitbeste jemals erreichte. „Das“, glaubt Jürgen Zäck, „war das Rennen meines Lebens.“ Dass er es schon hinter sich hat, soll nicht heißen, dass man ihn zum alten Eisen zählen darf. Das nun wirklich nicht.