Sternklar und unvergesslich

Grandioses Finale mit „Faust“ in den Wallanlagen. Das Philharmonische Staatsorchester Bremen und der Opernchor des Theaters Altenburg/Gera vertonen F. W. Murnaus Klassiker von 1926

„Genuss ist alles, werde jung!“, ruft der Teufel und Faust wird zum blonden Jüngling Wir malten mit den Blenden im Raum und schufen Schatten in der Luft

Bewegte Bilder könnten so schön sein. Wäre da nicht die Hollywood-Übermüllung in den Cinemaxx-Tempeln und das Dauersabbeln auf 36 Kanälen Fernsehen. „Zurück zu den Wurzeln!“, möchte man da rufen und den laut tönenden Farbmedien den Saft abdrehen. Das Gegenteil möchte man haben vom Block-Buster, und dieses Gegenteil ist: der Stummfilm, der Klassiker aus den Anfängen der Kinogeschichte, als Mimik und Gestik mitunter mehr mitteilten, als mit Worten möglich ist. Selten nur noch wird heute dafür eine große Leinwand reserviert. Vergangenen Samstag war es mal wieder soweit – gezeigt wurde „Faust“ von Friedrich Wilhelm Murnau.

Die Veranstaltung war der Abschluss und der Höhepunkt der Jubiläumsfeiern „200 Jahre Wallanlagen“. Musikalisch begleitet von dem Philharmonischen Staatsorchester Bremen und dem Opernchor des Theaters Altenburg-Gera. Und das war grandios. Marco Nola, junger Komponist aus Bremen, schrieb eine Musik, die sich nicht bloß an den laufenden Bildern entlanghangelte, sondern gescheit und leichtfüßig ins Bildgeschehen eingriff. Renaissance-Klänge, die ganz unverstaubt das Bildgeschehen erfassten und die Geschichte eigenständig weitererzählten.

Friedrich Wilhelm Murnau (1888-1931) drehte den expressionistischen Stummfilm „Faust - Eine Volkssage“ in den Jahren 1925/1926. Die Vorlage zum Film lieferte Christopher Marlowe, bereits 1593 hatte er den Stoff dramatisch bearbeitet. Faust, ein alternder Arzt steckt in der Krise. Er zweifelt am Leben, an seinem Wissen. Machtlos muss er zusehen, wie die Pest in seinem Dorf wütet. In seiner Hilflosigkeit ruft er nach dem Teufel, um die Pest und seine Lebenskrise zu überwinden. Natürlich verlangt der Teufel für diesen Dienst eine Kleinigkeit: seine Seele. Als Gegenleistung gibt ihm der Teufel ewige Jugend, Reichtum und Frauen. Die Parole des Teufels „Genuss ist alles, werde jung“ beginnt Faust bald zu langweilen. Er lernt das tugendhafte Gretchen kennen, verliebt sich und schwängert sie. Das ist dem Teufel alles viel zu Gut, also inszeniert er einen Mord, der nicht bloß Faust und Gretchen trennt, sondern auch noch dazu führt, dass Gretchen schließlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt wird. Im Finale erkennt Faust die Macht der Liebe, eilt zum Scheiterhaufen und verbrennt zusammen mit Gretchen. Dem Teufel ist er entkommen.

Zeitgenössische Kritiker bezeichneten Murnau als „das deutsche Filmgenie.“ Für Murnau bedeutete Regieführen in erster Linie „Schatten machen.“ „Wir malten mit den Blenden im Raum, schufen Schatten an der Wand und in der Luft“, kommentierte er 1926 seinen Film „Faust – Eine Volkssage“. Was diesen Film auch heute noch so faszinierend macht, ist nicht der philosophische Anspruch, wie er in Goethes Faust zu finden ist, sondern die gestalterischen Entdeckungen, die in man in all seinen Filmen machen kann.

Trotz des relativ hohen Eintrittspreises von 20 Euro und der Mückenplage war die eingezäunte Rasenfläche vor der Kunsthalle vollbesetzt. Die 115 Minuten Murnau unter sternklarem Himmel und auf Großleinwand in Begleitung mit der einfühlsamen Komposition Marco Nolas machten Lust auf mehr stummes Kino. Hoffentlich bald wieder!

Hannes Krug