Wirtschaft trauert um ihre US-Konkurrenz

Kritik an der amerikanischen Ökonomie durch Kölner Institut: Deutsches Modell steht wieder besser im Ansehen

HAMBURG taz ■ Auch Wirtschaftsbosse brauchen Vorbilder. Ein Jahrzehnt lang reichte es den deutschen Unternehmern, sich bedingungslos am amerikanische Börsenkapitalismus zu orientieren. Damit ist jetzt Schluss: „Das gefeierte Modell mutiert zum abschreckenden Beispiel“, beklagt das kapitalfreundliche Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.

Für die Finanzwelt zwischen Frankfurt und Berlin bildete Wall Street das Maß aller Dinge, bis der umjubelte Energiehändler Enron im Dezember rasant in die Pleite rutschte. Mit erlaubten Tricks und krimineller Energie hatte der Konzerngigant seine miese Lage verschleiert. Weitere Skandale folgen. Schließlich stand der Dow-Jones-Index am 24. Juli mit 7.490 Punkten auf dem niedrigsten Schlussstand seit Oktober 1998 – einst hatte er bei 10.000 Punkten gethront.

Nach Auffassung des IW „krankt das Herzstück des US-Systems“. Gemeint ist die so genannte Corporate Governance, also die Verfassung der Unternehmen. Brisant macht diese Grundsatzkritik, dass hinter dem IW nahezu die gesamte deutsche Wirtschaft steht. Vierzig Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände und viele Konzerne tragen das IW, das hierzulande wohl die größte ökonomische Forschungseinrichtung ist.

Amerikas Volkswirtschaft krankt an allerlei Interessenkonflikten. So fehlt den Firmen eine ausreichende Kontrolle. In den USA sind Vorstand und Aufsichtsrat nicht voneinander getrennt, sondern Manager und ihre Kontrolleure arbeiten im „Board of Directors“ eng zusammen. „Die aktuellen Skandale brachten ans Tageslicht, dass die Aufpasser ihre Rolle oftmals mehr schlecht als recht ausfüllten“, kritisiert das IW. Das lange Zeit getadelte deutsche Modell, mit einem separaten Aufsichtsrat und gewerkschaftlicher Mitbestimmung, wird nun anscheinend wieder geschätzt.

Ein weiterer Schwachpunkt der US-Wirtschaft sind Aktienoptionen, sie sind Bestandteil vieler Managereinkommen. Der Wert der Option steigt, wenn der Kurs der zugrunde liegenden Aktie anzieht. „Solche Optionen verführen zur Bilanzschönung zwecks Kurspflege“, bemerkt das IW trocken. Dabei hatten die US-Bilanzregeln lange Zeit sogar als ein Grundstein für den Börsenboom gegolten.

Das Schönrechnen der Bilanzen entlarvte auch die amerikanischen Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater. Zu oft haben die professionellen Bilanzkontrolleure dreiste Fehlbuchungen nicht erkannt oder sogar vertuscht. „Häufig lassen die Wirtschaftsprüfer die nötige Distanz missen“, schimpft das IW. Eine Schelte, die jedoch auch hierzulande für Arthur Andersen, KPMG oder McKinsey gelten kann. Dies gilt auch für die IW-Kritik an den Analysten der Banken, deren Urteile über Milliardeninvestitionen mitentscheiden: „Immer deutlicher wird, dass die Analysten der Investmentbanken keineswegs so unabhängig urteilen wie häufig geglaubt.“ So erhalten Banken eher lukrative Beratungsaufträge, wenn ihre Analysten die betroffenen Aktiengesellschaften freundlich bewerten.

HERMANNUS PFEIFFER