Kleine Kapitalisten bauen große Center

In zwei Tagen stampften Bremer Schülerinnen und Schüler vier neue, tolle, interaktive Universums aus dem Boden. Das Ganze bekamen sie dann auch noch locker finanziert – leider nur auf dem Papier, bei einem Planspiel des Wissenschaftssommers an der Bremer Universität

Gitarre, Flügel, Trommel und Saxophon beherbergen Exponate

„Good Vibrations – hier spielt die Musik“, eine Attraktion für die ganze Familie. Auf insgesamt 20.000 Quadratmetern Fläche erfahren die BesucherInnen hautnah alles über Musik: Verschiedene Musikrichtungen von Klassik bis HipHop, die Geschichte des Krachmachens von der Steinzeit bis heute. Und: Lieder aus aller Welt, die Entstehung von Tönen, aber auch der Zusammenhang zwischen Klang und Emotion werden da präsentiert.

Vier Ausstellungsgebäude – eine Gitarre, ein Flügel, eine Trommel und ein Saxophon – beherbergen Exponate und interaktive „Highlights“. Zum Beispiel das virtuelle Orchester, das alles vertont, was ihm mit einem Taktstock vordirigiert wird – oder das Boden-Klavier, auf dem man nach Lust und Laune herumtrampeln kann. In der großen Veranstaltungshalle finden Konzerte internationaler Stars statt.

Wer Lust bekommen hat, dieses spannende Science Center zu besuchen, hat leider Pech. Denn es existiert nur auf dem Papier, ein Projekt des „Wissenschaftssommers“. Genau wie die drei anderen Science Center, die SchülerInnen von drei Bremer Schulen beim Workshop „Wie baue ich ein Science Center?“ zwei Tage entwickelt haben.

„Die vier Eckpfeiler Gebäude, Finanzen, Inhalte und Umsetzung sollen bearbeitet werden, ansonsten haben die Jugendlichen freie Hand“, erklärt Wolfgang Sedlmeir, Geschäftsführer des Universum Science Center, einer der Moderatoren, das Projekt. In vier Gruppen aufgeteilt, planten, diskutierten, rechneten und zeichneten die SchülerInnen, bis aus den leeren Blättern ein stimmiges Konzept wurde.

Genau wie die drei anderen Science Center, die SchülerInnen von drei Bremer Schulen beim Workshop „Wie baue ich ein Science Center?“ zwei Tage lang aus dem Nichts entwickelt haben.

So unterschiedlich wie die Themen – Sport, Gesundheit, Wahrnehmung und Musik – war auch die Umsetzung: Kommerzielles Projekt mit über drei Millionen Euro Gewinn oder Non-Profit-Center; Wunderwerk der Kreativität oder ganz bodenständige Planung. Gemeinsam war allen Ideen jede Menge Interaktivität – durch langweilige statische Ausstellungsräume latschen will heute keiner mehr.

Die Zusammenstellung der TeilnehmerInnen – ein Kunst-LK, ein Wirtschafts-LK und ein Physik-LK – sorgte für fächerübergreifendes Arbeiten. Zwischen den Planungsphasen konnten die SchülerInnen außerdem in „Expertenrunden“ Profis von der Uni und vom „echten“ Universum zu befragen.

Spannende Attraktionen, technische Spielereien und ausgeflippte Architektur verleiteten die Jugendlichen zu so manchen Höhenflügen – die Frage der Umsetzung und Finanzierung holte sie dann des öfteren auf den Boden der „Tatsachen“ zurück. „Wir müssen ja auch Sponsoren gewinnen, und das Projekt muss sich rentieren“, erklärt der 18jährige Sebastian.

„Die wollen hier kleine Kapitalisten ranzüchten“, argwöhnt Julia, 18, angesichts drastischer Einsparungen im Personalbereich sowie prekärer Beschäftigungsverhältnisse, die durch die Finanzierungsnot entstanden sind.

Das Projekt „Medicum – die Entdeckung der Gesundheit“– hatte andere Sorgen: Die Mini-Architekten mussten sich vom Experten sagen lassen, dass das Gebäude, eine überdimensionale Spritze aus Glas, „sich durch Sonneneinstrahlung sehr stark aufheizen würde“, erzählt Oliver, 18. Eine energiefressende Klimaanlage wäre nötig, um das Hitzeproblem in den Griff zu bekommen. Derweil errechnete die Finanz-Abteilung der Spritzenbauer, dass mindestens 400.000 Besucher im Jahr kommen müssten, um sich in diesem Center über Mensch, Krankheit und Prävention aufklären zu lassen. Nun dann könnten die jungen Planer Instandhaltung und ständige Aktualisierung der Ausstellung gewährleisten.

Trotz – oder gerade wegen – dieser Schwierigkeiten waren die meisten happy. Die 19-jährige Ines fand es vor allem „spannend, als wie realistisch sich unsere Ideen bei der Expertenbefragung rausstellten.“

Und bis zuletzt „ungeklärt ist unsere Rechtslage“, sagen Melanie, 19. Und Julia, 18, meint skeptisch: „Womöglich klauen die uns die Ideen und bauen das wirklich!“ Vivien Mast