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berliner szenen Szenen einer Ehe

Blöde Kuh

Die Frau und der Mann sitzen auf einer Bank im Park. Jung sind sie nicht mehr, aber zusammen. Eine Ehe, in der die Gewöhnung schon so lange dauert, dass der Mann die Frau „blöde Kuh“ nennt, wenn er mit ihr redet. Er spricht die ganze Zeit. Die Frau füttert die Spatzen mit altem Weißbrot, der Mann sagt: „Kommt doch hier sowieso kein Vogel mehr! Sind doch alle schon satt, blöde Kuh! Schade ums Geld!“

Die Frau guckt weg. Der Mann spricht weiter. „Wie du aussiehst!“, schimpft er. „Andere können das tragen, Große und Schlanke! Bei dir sieht das zum Kotzen aus!“ Die Frau schweigt. Sie hat eigentlich ganz normale Sachen an. Aber der Mann regt sich auf. Über alles: die Frau, die Schulden, die Wohnung, das Amt.

Eine Flucht scheint unmöglich. Wenn sich die Frau wegsetzt, auf eine andere Bank, kommt der Mann hinterher. Sie streut die Brocken vom alten Brot auf den Boden, sieht weg, bleibt stumm. Er schimpft und gestikuliert. Es hört nicht auf. Man guckt die Frau an und ahnt, was ein beschissenes Leben ist. Spatzen sind auch keine da.

Wenn ihm keine Vorwürfe mehr einfallen, trinken beide Bier aus Dosen. Nur eine kurze Ruhe. Bis er seine Tirade gegen sie wiederholt. Es geht immer weiter. Alles wird schlimmer, nichts besser. Manchmal spricht der Mann auch unvermittelt Passanten an. Sein Gesicht bricht in ein helles, freundliches Hallo auf dann. „Meine Frau ist aus dem Süden“, stellt er sie vor, macht sie zum Schatz in seinem Arm. Die Frau senkt den Kopf, zieht schüchtern den linken Mundwinkel hoch, lehnt sich ein bisschen steif an. Eine schöne Innigkeit plötzlich. Der Stoffbeutel, aus dem die beiden die Bierdosen holen, trägt den Aufdruck „KaDeWe“. KIRSTEN KÜPPERS

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