Putins Flirt mit der Achse des Bösen

Russlands Präsident erteilt dem nordkoreanischen Staatschef Kim Jong Il dieser Tage in Russland Nachhilfe in Sachen Wirtschaftsreformen. Auch mit Irak und Iran verhandelt Moskau verstärkt über gemeinsame Wirtschaftsprojekte

aus Moskau KLAUS-HELGE DONATH

Nordkoreas Kim Jong Il bereist zum zweiten Mal in seiner Amtszeit Russland. Gestern rollte der gepanzerte Zug des Nordkoreaners mit 22 Waggons über die Grenze im russischen Fernen Osten. Der Terminplan des Großen Vorsitzenden aus Pjöngjang ist ein wohl gehütetes Geheimnis. Dennoch sickerte durch, dass sich Kim im Osten des Nachbarstaates mit den „Fortschritten der lokalen Selbstverwaltung und der Wirtschaftsreformen“ vertraut machen wolle. Das berichtete die Moskowskije Nowosti, die mit Spott nicht geizte. So werde der nordkoreanische „Leitstern“ von Präsident Putins Beauftragten im Fernen Osten General Alexander Pulikowski begleitet: ein ausgewiesener „Pionier der zivilen Gesellschaft“.

Die Politiker des Fernen Ostens haben in Russland einen zweifelhaften Ruf, ihr Maß an Korrumpierbarkeit übersteigt den selbst in Moskau tolerierbaren Rahmen. Polikowski hatte schon 2001 den Bahnreisenden Kim begleitet und wird demnächst Eindrücke über die Persönlichkeit des nordkoreanischen Staatsmannes in Buchform vorlegen.

Wladiwostok, das zu Ehren des Besuchers eine japanische Luxusjacht erstand, plant Kim auch eine Ehrendoktorwürde zu verleihen. Ein Treffen mit Präsident Wladimir Putin soll am Freitag in Wladiwostok stattfinden, offiziell hält sich der Kreml noch bedeckt. Worüber sich die beiden Staatschefs verständigen werden, wurde nicht bekannt.

Vor zwei Jahren erntete Putin internationalen Beifall, als er den Nordkoreaner überredete, nicht mit seinem neu erworbenen atomaren Raketenpotenzial herumzuspielen. Kim verkündete ein Moratorium bis 2003, widerrief es indes kurz darauf. Dem Image Putins als Appeaser schadete das nicht. Aus Sowjetzeiten schuldet Nordkorea Moskau 5 Milliarden Dollar.

Pjöngjangs Angebot, die Schulden durch eine Aufstockung nordkoreanischer Arbeitskräfte abzutragen, von denen heute schon tausende in den sibirischen Wäldern als Leiharbeiter schuften, hat Moskau angeblich abgelehnt. Noch zur Debatte steht der Bau einer Verkehrstrasse von Russland über Nord- nach Südkorea, die den Handel zwischen Europa und Asien via Russland fördern soll. Geologische Studien und technische Vorbereitungen sind abgeschlossen. Allein es fehlt am Geld. Der Direktor des Moskauer Zentrums für Asien und den Stillen Ozean, Wladimir Li, hält den Bau der Trasse dennoch für möglich: Nordkorea steuert Land, Sand, Wasser und Arbeiter bei.

Moskaus Diplomatie bemüht sich in den letzten Wochen auffallend um die Schmuddelkinder des internationalen Systems. Neben Nordkorea umgarnt Moskau auch die anderen „Achsenmächte des Bösen“ – den Iran und den Irak. Die Bilanz der einjährigen Antiterrorkoalition muss im Kreml dementsprechend nüchtern ausgefallen sein.

In der letzten Woche verkündete Bagdads Botschafter in Moskau, im September würden beide Länder einen Vertrag über wirtschaftliche Zusammenarbeit von rund 40 Milliarden US-Dollar unterzeichnen. Im Vordergrund stehen Projekte der Erdölförderung, Elektrizität, Landwirtschaft und des Verkehrs. Beide Vertragspartner betonten, das über 60 Einzelverträge umfassende Abkommen unterlaufe die UNO-Sanktionen nicht.

Moskau hat sich für Aufhebung und Erleichterung der Sanktionen im UN-Sicherheitsrat mehrfach stark gemacht. Bagdad schuldet Moskau, seinem zurzeit wichtigsten Handelspartner, rund 8 Milliarden Dollar. Fraglich ist, ob das Vertragswerk umgesetzt werden kann. Weder im Irak noch in Russland, meinen russische Kritiker, seien die finanziellen Mittel vorhanden. Womöglich will der Kreml den USA nur signalisieren, Moskau nicht ganz zu vergessen. Spekulationen in der russischen Presse, Washington könnte mit einem Militärschlag gegen den Irak zögern, solange tausende russische Fachkräfte vor Ort im Einsatz sind, lassen sich leicht widerlegen. Wohl kaum ein russischer Financier wird im Irak investieren, solange ein Krieg in der Luft hängt. Sollte Saddam Hussein beseitigt werden, wird die Opposition dessen Verträge sicher nicht einhalten.

Auch die Kooperation mit dem Iran im Bereich der Kernenergie ist Washington ein Dorn im Auge. Letzten Monat holte Moskau einen Vertragsentwurf aus der Schublade, der den Bau von sechs Nuklearreaktoren in Höhe von mehreren Milliarden US-Dollar vorsieht. Die in Buscher im Bau befindliche Anlage soll 2003 fertig gestellt werden.

Moskau hält daran fest, dass die Kooperation nur friedlichen Zwecken diene und keine internationalen Vereinbarungen verletze. „It’s the economy, stupid.“ Bill Clintons Welterklärung hatte sich zwischenzeitlich auch Putin zu Eigen gemacht. Die Verträge mit dem Iran und Irak sind erst Entwürfe. Im Falle der Vereinbarung mit Teheran hat der Entwurf noch nicht einmal die Ministerialebene erreicht.