China: Bauernfluch und Bauernsegen

Baumwollhersteller hoffen, ihre schlechte Stellung am Weltmarkt mit genmanipuliertem Saatgut zu verbessern

PEKING taz ■ Der Baumwollkapselwurm war noch vor drei Jahren Bauer Li Mins größte Sorge. „Zehnmal im Jahr musste ich Insektengift sprühen“, berichtet der Baumwollbauer aus der Provinz Hubei im Nordosten Chinas. Das war nicht nur teuer, sondern auch gesundheitsgefährdend. Erst mit dem neuen gentransformierten, wurmresistenten Baumwollsamen des US-amerikanischen Biotech-Multis Monsanto sei alles schnell besser geworden. Stolz zeigt Li auf seine kniehohen, dicht wachsenden Pflanzen und schielt dann hinüber zum Agrarkoordinator seines Dorfes, Chen Xurong. „Die Bauern können jetzt auch viel mehr ernten“, ergänzt Chen. Dadurch hätten sie das Vertrauen in die chinesische Baumwollindustrie zurückgewonnen.

Chinas Baumwollbauern müssen sich auf die Globalisierung einstellen. Trotz niedrigster Lohnkosten liegen die Baumwollpreise der Volksrepublik, die mit zuletzt 4,8 Millionen Tonnen im Jahr 2001 weltgrößter Baumwollproduzent ist, über denen des Hauptkonkurrenten USA. Die Gründe sind hausgemacht. Der Stoff leidet wegen Schädlingsplagen oft an gravierenden Qualitätsmängeln und verursacht wegen des Anbaus in abgelegenen Provinzen und einer unzureichenden industriellen Infrastruktur relativ hohe Exportkosten. Ensprechend sanken die chinesischen Baumwollexporte in den ersten 10 Monaten des letzten Jahres um dramatische 81 Prozent. Schon haben die chinesischen Behörden die Order ausgegeben, die Baumwollproduktion zurückzufahren. Die staatliche Entwicklungs- und Planungskommission will die Gesamtanbaufläche bis Ende 2003 um 19,3 Prozent verringern.

Bauer Li in Hubei kennt die schlechte Lage der Branche und schimpft über „Preisverfall“ und die „ausländische Konkurrenz“. Doch er glaubt, dass ihm die Globalisierung mit dem Biotech-Samen zugleich die Rettung gebracht hat. Mit der so genannten Bt-Baumwolle – sie wurde nach dem Gift benannt, das die gentechnisch veränderten Samen produzieren, um bestimmte Schädlingsarten zu töten – sind Qualitätsmängel ein Problem der Vergangenheit. Den Unterschied belegt ein Feldbesuch bei Bäuerin Huang in der gleichen Gegend, die nicht nach den Monsanto-Methoden verfährt. „Es gibt so viele Schädlinge in diesem Jahr, ich musste schon dreimal spritzen“, klagt sie. Ihre Pflanzen sehen mickrig und trocken aus.

Kein Wunder, dass die Lis Überhand gewinnen. So kletterte der Anteil von Bt-Baumwolle an der chinesischen Gesamtproduktion seit 1998 von null auf rund 30 Prozent. Zwar kostet das Kilo Bt-Samen mit etwa 2 Euro fast fünfmal so viel wie das alte Saatgut, aber durch die Einsparung der Pestizide sind die Produktionskosten um rund 28 Prozent gesunken. Einem Bericht des chinesisch-amerikanischen USDA Economic Research Service zufolge ist zudem der Ernteertrag deutlich gestiegen – bei einer insgesamt geringeren Umweltbelastung.

Die chinesische Umweltbehörde bezweifelt jedoch, dass die gentechnische Globalisierung die chinesische Baumwollindustrie rettet. In einem im Juni veröffentlichten Regierungsbericht ist die Rede von Resistenzverlust gegenüber dem Baumwollkapselwurm nach fünf Jahren und dementsprechend langfristigen Umweltschäden. Die von Xue Dayuan, einem Mitarbeiter am Nankinger Institut für Umweltwissenschaft, verfasste Studie kritisiert die voreilige Vermarktung der Monsanto-Samen. „Die großen Hoffnungen der Bauern werden schnell zerschlagen sein“, sagt Xue, der auch Berater des Hongkonger Büros von Greenpeace ist.

Wachsende Konflikte in Industrie und Regierung vermutet indessen ein Mitarbeiter der Pekinger Monsanto-Niederlassung hinter dem Bericht: Bislang hatte das Landwirtschaftsministerium sämtliche Befugnisse im Bereich genmanipulierter Pflanzen. „Die Umweltbehörde fühlt sich benachteiligt und will Macht an sich ziehen“, so der Monsanto-Mann. Hinzu käme eine intensive Lobbyarbeit der Pestizid-Hersteller und von Greenpeace, die sich in dem Bericht des Umweltministeriums niederschlage.

Was folgt für Bauern wie Li und Huang aus dem Streit? „Von der Globalisierung versteht man hier nichts“, meint Ma Jun, Verkaufsleiter einer Monsanto-Vertriebsfirma in Hubei. Dem ist schwer zu widersprechen. Natürlich sind die Bauern überfordert, aber sie würden von ihren örtlichen Repräsentanten der Globalisierung gerne mehr wissen. Ob Chinas kürzlich erfolgter Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO nicht auch neue Probleme mit sich bringe, wird Ma von Huang gefragt. Der aber will nicht mit der Bäuerin diskutieren, er will ihr seinen Bt-Samen verkaufen.

Hier zeigt sich eine weitere Komplikation der Globalisierung: Die Bauern sind plötzlich umstellt von Vertretern fremder Interessen. Auch Agrarkoordinator Chen Xurong, der im Dorf die Regierungspolitik vertritt, profitiert als Mittelsmann von Monsanto vom Samenverkauf.KRISTIN KUPFER/ GEORG BLUME