Staat darf bei Kriminellen abkassieren

Urteil bekräftigt Bruttoprinzip bei Abschöpfung von Geld aus Straftaten. Täter können „Investitionen“ nicht verrechnen

FREIBURG taz ■ Die Einnahmen aus einer Straftat können vom Staat vollständig abgeschöpft werden. Dies entschied gestern der Bundesgerichtshof. Verurteilte Täter können ihre eigenen „Investitionen“ damit nicht in Rechnung stellen.

Konkret ging es um den Fall einer Papierfabrik in Gernsbach bei Karlsruhe. Sie hatte Zigarettenpapier nach Serbien geliefert und damit gegen das UNO-Embargo verstoßen. Im letzten Oktober verurteilte das Landgericht Mannheim deshalb zwei leitende Mitarbeiter zu Bewährungsstrafen und konfiszierte außerdem die gesamten Einnahmen aus dem Serbiengeschäft, insgesamt 7,9 Millionen Mark (rund 4 Millionen Euro).

Letzteres ging den Anwälten der Firma zu weit. Sie wollten, dass die Ausgaben für die Papierherstellung von den Erlösen abgezogen werden und nur der viel geringere Nettogewinn für „verfallen“ erklärt wird. Schließlich seien die Kosten für Einkauf und Bearbeitung von Zellulose moralisch neutral und könnten nicht mit dem Kauf von Waffen oder Drogen gleichgesetzt werden.

Mit dieser Argumentation hatten sie beim BGH aber keinen Erfolg. Auch bei Wirtschaftsstraftaten kann der Staat die Herausgabe von „allem, was der Täter für die Tat oder aus ihr erlangt hat“, verlangen, entschied der Erste Strafsenat. Er bestätigte damit ausdrücklich das bisher angewandte „Bruttoprinzip“. Wenn Kriminelle nur ihre Gewinne herausgeben müssten, hätten sie gar kein wirtschaftliches Risiko zu tragen. Eine zu enge Auslegung des Strafgesetzbuchs wirke deshalb „geradezu als Tatanreiz für ähnliche Straftaten“, warnte der Vorsitzende Richter Gerhard Schäfer. Das Bruttoprinzip diene dagegen der Prävention.

Die Gewinnabschöpfung nach Straftaten ist im Kampf gegen die organisierte Kriminalität immer mehr zum Hebel der Strafverfolger geworden. Dem steht auch nicht entgegen, dass das Bundesverfassungsgericht im März dieses Jahres die Vermögensstrafe mangels Bestimmtheit für grundgesetzwidrig erklärte.

Denn in der Praxis hatte die 1992 eingeführte neue Strafart ohnehin keine große Rolle gespielt. Vielmehr setzte die Justiz schon seit einigen Jahren auf den „Verfall“ von Einnahmen aus Verbrechen, der praktischer zu handhaben ist und dank Bruttoprinzip ebenfalls einschneidende Folgen hat. (Az.: 1 StR 115/02)

CHRISTIAN RATH