Aus dem Hintergrund auf den Deich

Die Innen-Staatssekretärin Brigitte Zypries gilt als „hart“ und wird von allen angeschwärmt, die mit ihr arbeiten

Es war eine dieser Szenen, wie sie eben vorkommen bei einem Empfang in Berlin. Manche Gäste sind zu früh; man schnappt sich ein Sektglas, einen Sessel und wartet so vor sich hin. Nebendran wartet auch eine Frau, ebenfalls ganz entspannt. Man kommt ins Gespräch. Schließlich scheint sich die Frage aufzudrängen: „Sind Sie auch Journalistin?“ – „Nein“, ist die Antwort, „Staatssekretärin.“

Peinlich für die Journalistin. Doch Brigitte Zypries lacht nur, das würde ihr häufig passieren. Sie sei ja nicht bekannt. Und es scheint ihr nichts auszumachen, im Hintergrund zu wirken – und etwa die Internetausstattung des Bundesinnenministeriums voranzutreiben.

Diese kleine Szene spielte sich vor vier Jahren ab – und würde heute nicht mehr passieren. Zypries hat den Hintergrund verlassen, taucht im Fernsehen auf: Die beamtete Staatssekretärin im Bundesinnenministerium leitet den Krisenstab für die Flutkatastrophe.

Eine heikle Aufgabe. Jede Panne hätte die Wahlaussichten von Kanzler Gerhard Schröder davongeschwemmt. Doch der Krisenstab hat sich bewährt, wird allseits als „umsichtig“ gelobt. Die Flutwelle hat inzwischen Lauenburg in Schleswig-Holstein erreicht; mit großen Deichbrüchen ist nicht mehr zu rechnen.

Das Elbe-Hochwasser war nicht die erste Krise, die Zypries zu bewältigen hatte. So hat sie schon den Jahrtausendwechsel mit einer Notfallplanung begleitet. Bekanntlich ist am 1. 1. 2000 kein einziger Computer zusammengebrochen. Doch ihre Mitarbeiter rechnen es ihr bis heute hoch an, dass sie damals am Silvesterabend nicht einfach nach Hause ging, um zu feiern. „Sie ist nachts bei ihrem Stab geblieben, das zählt.“

Genauso schwärmen ihre Mitarbeiter im niedersächsischen Frauenministerium; dort war sie ebenfalls Staatssekretärin, bevor Schröder die heute 48-jährige Juristin nach Berlin berief. „Sie hat uns nie einbestellt, sondern ist in unsere Zimmer gekommen.“ Sie „kannte ihr Haus“, auch das ist selten in der Verwaltung, die so sehr auf Hierarchie setzt.

Selbst Bewerber, die von ihr abgelehnt wurden, mögen Zypries. Sie sei „ein bisschen herb, aber unaffektiert, sehr natürlich und freundlich“. Nachsatz: „Aber sie hat die nötige Distanz.“ Denn das ist „die andere Seite“, wie es ein ehemaliger Mitarbeiter nennt: Zypries gilt als entscheidungsfreudig, als „hart in der Sache“. Aber auch das mag die Verwaltung, die sich nach „klaren Ansagen“ sehnt und nichts so fürchtet wie die ständigen Richtungswechsel der Politik.

Zypries ist in den Runden der deutschen Innenminister fast die einzige Frau. Schon das beweist Durchsetzungskraft – und lässt erahnen, wie gut sie sein muss. ULRIKE HERRMANN