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Keine Hoffnung auf der Farm

Die „Landreform“ in Simbabwe aus schwarzer Sicht: Die neuen Besitzer des enteigneten Landes stehen mittellos vor der Hungersnot, während die vertriebenen Farmarbeiter und ihre Familienangehörigen zu Flüchtlingen werden

aus Wedza GODFREY KARORO

Entlang der breiten geteerten Straße durch die Farmregion Marondera/Wedza findet man dieser Tage zwei Arten von Menschen, die auf öffentliche Verkehrsmittel warten. Die einen sind glücklich: Es sind Leute mit 20-Kilo-Maissäcken unterwegs zur nächsten Mühle. Sie wissen, dass ihre Familie jetzt erst mal für ein paar Tage etwas zu essen hat – keine Selbstverständlichkeit im heutigen Simbabwe, wo nach UN-Angaben 6,5 Millionen Menschen – die Hälfte der Bevölkerung – von Hunger bedroht sind. Die anderen sind diejenigen, die nach den Vorstellungen der Regierung davon profitieren sollen, dass die weißen Farmer Simbabwes ihr Land verlieren.

Joseph Mhiribidi gehört zu dieser zweiten Gruppe. Die Regierung hat dem schwarzen Kleinbauer zehn Hektar einer enteigneten kommerziellen Farm im Distrikt Wedza gegeben. Damit gehört er zu den Gewinnern der Umverteilung von Land in ehemals weißen Besitz. Aber er hat das niedergeschlagene Gesicht eines Menschen, der nicht weiß, wie es weitergehen soll.

Vor ein paar Monaten wurde der 25-jährige Joseph im „Chihota Communal Area“, wo er geboren wurde und aufwuchs, von den Behörden auf einem staatlichen Lastwagen gesetzt und zu seinem neuen Eigentum gefahren. Er baute erst mal eine Holzhütte für sich, seine Frau und seine beiden Kinder. Dann wartete er, dass die Regierung ihr Versprechen wahr machen und ihm Starthilfe geben würde – kostenloses Saatgut, landwirtschaftliche Geräte und was man sonst so braucht, wenn man als Bauer ohne Geld plötzlich zehn Hektar bekommt und darauf genug anbauen soll, um die Familie zu ernähren.

Das war vor vier Monaten. Und Joseph wartet immer noch. „Ja, wir haben jetzt Land, aber wir verhungern“, erklärt er. „Es gibt hier nichts zu essen. Wenn ein paar Säcke Mais in die Gegend geliefert werden, müssen wir sie kaufen wie alle anderen. Ich weiß nicht, wann es wieder Mais geben wird.“

Joseph bekam seine zehn Hektar unter dem so genannten „Model A1“, unter dem Simbabwes Regierung 250.000 schwarze Kleinbauern auf ehemals weißen Farmen in neuen Dörfern ansiedeln will. Weitere 54.000 schwarze Großbauern – hauptsächlich Freunde der Regierung – bekommen größere Stücke Land unter „Model A2“ und sollen die kommerzielle Landwirtschaft der Weißen fortsetzen. Aber die neuen schwarzen Siedler entdecken schnell, wie schwer das Leben auf ihrem neuen Eigentum ist, wo es keine Schulen gibt, keine Gesundheitsversorgung, keine Geschäfte. Joseph versucht, sich Hoffnung zu machen: Wenn die Regierung bis zum Beginn der Regenzeit Anfang November ein wenig Infrastruktur schafft, kann seine Familie es schaffen, meint er.

Ein Stück weiter sitzen diejenigen, die keine Hoffnung mehr haben. Eine achtköpfige Familie hockt auf der Straße, umgeben von ihrem Hausrat: ein Herd, ein Bett, zwei Stühle, ein Fahrrad, zwei Koffer, Körbe, Matten und Kochtöpfe. Es sind die, die unter den Enteignungen noch viel mehr leiden als die Weißen: die ehemaligen Arbeiter der enteigneten Farmen.

Friday Tambudzai und seine Familie verloren ihr Zuhause vor etwa zwei Wochen. Die bewaffneten Milizen auf der Farm, wo sie arbeiteten, sagten den 87 Arbeitern mit über 300 Angehörigen, sie müssten jetzt endlich gehen. Die Farm ist seit Beginn der gewaltsamen Landbesetzungen im Februar 2000 von so genannten Kriegsveteranen besetzt.

„Die Kriegsveteranen kamen mit Leuten aus Chihota auf die Farm und verjagten uns“, erzählt Friday. „Sie sagten, die Farm gehört jetzt ihnen.“ Zwölf Jahre lang arbeitete der Mann auf der Farm, wo Tabak, Paprika und Zitrusfrüchte für den Export wuchsen. Nun steht er vor dem Nichts. Die letzte Woche hauste er mit den anderen Vertriebenen auf einem Fußballfeld. „Ich bringe jetzt meine Familie zu meiner Schwägerin in Wedza, und dann werde ich weitersehen. Manche unserer Kollegen sind schon weggegangen. Sie wurden vor dem Büro des Distriktverwalters von Wedza auf die Straße gesetzt. Wir wissen nicht, was aus ihnen geworden ist. Manche sind vielleicht zu Verwandten gegangen oder haben sich auf den Weg in ihre Geburtsdörfer gemacht.“

Etwa 30 Prozent aller kommerziellen Agrarbetriebe in Simbabwe haben bislang ihre Tätigkeit eingestellt. 585.000 Arbeiter und Angehörige sind vertrieben worden. Die meisten davon sind Einwanderer aus Malawi und Mosambik und damit völlig rechtlos und auf internationale Hungerhilfe angewiesen. Die Farmarbeitergewerkschaft Gapwuz (General Agriculture and Plantation Workers Union of Zimbabwe) sagt, viele seien als Landflüchtlinge in die Slums an den Rändern der großen Städte gezogen. Weniger als 3.000 Farmarbeiter haben von der Regierung Land erhalten. „Die Regierung äußert sich nicht klar zum Schicksal der Arbeiter“, sagt Gapwuz-Basiskoordinator Gift Muti. „Sie sagt, die Arbeiter würden von den neuen Landbesitzern weiter beschäftigt werden, aber in Wirklichkeit haben die vertriebenen Arbeiter große Probleme“. Weil die neuen Landbesitzer selbst kein Geld haben, können sie keine Arbeit geben, und wenn sie Arbeiter beschäftigen, bezahlen sie sie schlecht oder gar nicht, so Muti.

Das ist die „Landreform“ in Simbabwe, die bis Ende August vollendet werden soll. Dann werden 3.000 Farmen im Besitz von Weißen umverteilt sein, und zwei Millionen Farmarbeiter und ihre Angehörigen werden davon betroffen sein. Und die Krise der Landwirtschaft wird sich weiter verschärft haben.

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