Ein Schloss für Bremerhaven

Tausende von Weidenruten will ein Schweizer Architekt im Speckenbüttler Park in Bremerhaven mit einem Heer von Freiwilligen zu einem Schloss formen. Das soll dann austreiben und 100 Jahre weiterwachsen

Schilf und Binsen wogen im Wind, Libellen schwirren in der Luft. Leise schmatzt der Sumpfboden. Mitten in der Feuchtwiese, nur über zwei schmale Dämme vom höher gelegenen „Ufer“ zu erreichen, ein Baum wie ein Schloss: Mit Blättern und Trieben und sieben Kuppeln. Zum Reingehen, Ausruhen, Anschauen. Nein, das ist kein Märchen, sondern bald Wirklichkeit. Und zwar mitten in Bremerhaven.

„Lebende Gebäude“ nennt der Schweizer Architekt Marcel Kalberer seine Konstruktionen, eine Mischung aus Baum und Haus, sagen andere dazu. Beton und Backsteine wird man bei diesen Gebäuden vergeblich suchen, denn Kalberer baut mit Holz – mit lebendem. Das Baumaterial für das Bremerhavener Märchenschloss etwa sind die Kopfweiden, genauer die Körber-Weiden, die überall im Land Wursten zwischen Weddewarden und Cuxhaven sprießen. Früher haben die Fischer aus deren Zweigen ihre Reusen geflochten. Kalberer windet die bis zu zehn Meter langen und drei bis zwölf Zentimeter dicken Ruten um Stahlrohre, die dann zu Rundbögen und Arkaden verbunden werden. „Die Rohre sind nur da, um die Form zu wahren, nicht wegen der Statik“, sagt Claudia Reuter, die das Projekt beim Bremerhavener Gartenbauamt betreut. 400 Quadratmeter groß wird die Schlosshalle, die größte Kuppel in der Mitte soll 15 Meter in den Himmel ragen. Sechs kleinere Kugeldächer, Durchmesser jeweils siebeneinhalb Meter, sind kreisförmig darum gruppiert. Reuter: „Von oben sieht das aus wie ein Mandala.“

Im kommenden Winter werden die Weiden geschnitten, 400 Kubikmeter insgesamt. Die eigentlichen Bauarbeiten beginnen am 24. März. Vier Wochen lang werden 50 ehrenamtliche HelferInnen unter Anleitung des Architekten und seines Teams am Schloss bauen. Sorge, dass sich nicht genügend Freiwillige finden, hat Reuter nicht. Im Gegenteil: „Viele Leute nehmen sich dafür extra Urlaub“, weiß sie von anderen Baum-Bauprojekten.

Teure Maschinen, Kräne und Hebebühnen braucht es auf der Schloss-Baustelle nicht. Die HelferInnen werden die zuvor an großen Tischen gewundenen Bögen nur mit Seilen, Hebeln und ihrer Muskelkraft zur Kuppelkonstruktion verbinden – keine ganz einfache Aufgabe, denn auch wenn das Bauwerk filigran wirkt, sind die aus Weiden gefertigten Bauteile schließlich tonnenschwer. Anderthalb Meter tief werden die tragenden Pfeiler in den Boden eingegraben, das Pflanzloch mit Kompost aufgefüllt. „Die Weide mag Nährstoffe um ihre Füße“, weiß Reuter und prophezeit: „Die Ruten werden noch im gleichen Jahr Wurzeln schlagen und austreiben.“ Aus dem zunächst kahlen Flechtwerk wird so wieder ein lebendiger Baum – nur eben in Form eines Schlosses. Reuter schwärmt: „Das ist ’ne irre Energie da drin.“

Selbst über eine Schlossmauer und einen Schlossgraben denken die Erfinder bereits nach. Das, schwärmt Reuter, „würde das Schloss noch schlossiger machen.“ Armin Simon

SchlossbauerInnen gesucht: Mindestalter 15 Jahre, Teilnahmegebühr 25 Euro pro Woche für Verpflegung. Anmeldung bis zum 28. Februar (Gruppen: 15. Januar) unter ☎ 04 71 - 590-24 50.