Virtueller Wahlkampf

Parteien und ihre Sympathisanten sind im Netz erfinderisch – und klauen sich Domainnamen

von ROLAND HOFWILER

Wieder einmal wird das Internet missbraucht – und zwar zum Wahlkampf. In diesem Jahr sprießen Politikadressen und Linksammlungen wie Pilze aus dem Netz. Dabei geht es auf den meisten Seiten nicht um die Eigendarstellung der jeweiligen Standpunkte, sondern ausschließlich um die Diskreditierung der Mitstreiter.

Domain-Grabbing nennt man den Versuch, mehr oder weniger eindeutige Internetadressen für andere Zwecke zu nutzen. Momentan glänzen vor allem die Grünen und deren Sympathisanten als Herrscher über zahlreiche Domains. So gehört die Seite www.stoiber-wird-kanzler.de nicht etwa der CSU, sondern den bayrischen Grünen. Im Bundesland Brandenburg hat sich die CDU ihrerseit die Domains bekannter SPD-Persönlichkeiten gesichert – mit Umleitung auf die eigene Homepage.

Neben den „ordentlichen“ Seiten www.gerhard-schroeder.de und www.edmund-stoiber.de geht die Zahl der Domains, die an Schlagwörter und Slogans für und gegen die Politiker angelehnt wird, ins Grenzenlose. Der amtierende Bundeskanzler hat zu leiden unter Adressen wie www.stoppt-schroeder.de oder www.schroeder-muss-weg.de. Herausforderer Stoiber wird heftig zugesetzt unter www.stoiberdarfnichtkanzlerwerden.de oder www.bleib-in-bayern.de.

Die geschmackloseste Manipulation erlaubte sich bislang der CDU-Ortsverband im hessischen Fuldatal. Mit so genannten Metatags – für den Surfer nicht sichtbaren Anmerkungen und Seiteninhalten – versuchen die lokalen CDU-Größen die Aufmerksamkeit auf ihre Provinzseite zu lenken. Wer über eine deutsche Suchmaschine bis vor kurzem Begriffe wie „Alt-68er“, „Feminismus“ oder „Sex“, aber auch „Hitler“ und „Judenvernichtung“ eingab, der bekam verschlüsselte Treffer, die auf den CDU-Ortsverband führten. Erst als eine hessische Lokalzeitung den Skandal aufdeckte, entschied sich die CDU, die insgesamt 344 Metatags abzudrehen.

Für all diese Kavaliersdelikte gibt es noch keine klare Rechtsprechung, schon gar keine Strafverfolgung. Wehren können sich die verunglimpften Politiker höchstens durch das Anmieten von Webadressen unter verdächtigen Domainnamen. Auch da haben die Grünen die Nase vorn: In Anlehnung an ihren Bundestagswahlslogan „Grün wirkt“ hat sich die Partei vorsorglich die Adresse www.gruen-wuergt.de angemietet.