Allein unter Jaguaren

Die Möpse essen mit, der gelbe Nerz passt nicht zum Pfirsichton des Kleides, und Polo ist anders als Golf. Doch was zählt, ist der sportliche Gedanke: Die Uhrenfirma Jaeger-LeCoultre präsentierte ihre neue Kollektion im Golf- und Land-Club Wannsee

von MOIRA LENZ

„Stimmt es, dass Gysi das alles bezahlt?“, fragt ein älterer Mann mit Sportsakko und erntet allgemeines Gelächter. Nach ein paar Gläsern Champagner ist die Stimmung im Golf- und Land-Club Wannsee ganz locker und entspannt. Der Scherz perlt nur so über die Lippen.

„Wenn das so ist, nehme ich noch ein Glas, Fräulein, meine Tochter kann den Wagen dann morgen zurückfahren.“ Ein Kellner in echtem Frack öffnet eine weitere Flasche Champagner, das Fräulein schenkt nach. Wahrscheinlich ist der Wagen ein Benz oder ein Jaguar, ganz sicher bin ich mir nicht. Zumindest bin ich weiter unten auf dem Weg an einigen Jaguar und Benz vorbeigefahren. Die Ferrari- und Rolls-Royce-Besitzer parken näher am Haus, aber danach sieht der Herr nicht aus.

Das Clubhaus ist schön gelegen, ein Stückchen oberhalb des Wannsees, inmitten zartgrüner Wiesen und lauschiger Haine. Lässt man sich auf dem Weg dorthin ein bisschen Zeit, kann man den herrlichen Ausblick über den See und den Jachthafen genießen.

Heute findet hier eine ganz besondere Veranstaltung statt: die Deutschlandpremiere einer Uhr, der „Reverso Gran’Sport Duo“ von Jaeger-LeCoultre. Diese Wendeuhr (das Gehäuse lässt sich drehen, um das Glas vor Bruch zu schützen) wurde 1931 zwar von englischen Polospielern in Indien erfunden, aber so genau nimmt es der Golf-Club nicht. Was zählt, ist der sportliche Gedanke. Ausgestellt wird die Uhr in zehn unaufdringlichen Schaukästen und in zehn unaufdringlichen Ausführungen mit viel Karat: ungemein stilvoll und ungemein Understatement.

Während ein Pianospieler für die musikalische Untermalung sorgt, gelange ich auf die Clubterrasse, die umgeben ist von sanften, grünen Hügeln, und auch ein paar echte Golfspielern zeichnen sich am Horizont ab. Songs wie „Misty“, „Lullaby of Birdland“ oder „Somewhere over the Rainbow“ perlen aus dem Piano, dazu der blaue Himmel: perfekt. Die persönliche Begrüßung erfolgt durch den Juwelier Sedlatzek, der sich selbst gern als den „Ersten am Platz“ bezeichnet, und durch Herrn Billmann von Jaeger-LeCoultre, hörbar kein Berliner, eher irgendwas Süddeutsches. Herr Seldatzek trägt ein sehr rosafarbenes Einstecktüchlein und hat „sein Geschäft“ auf dem Ku’damm: „Schön“, dass ich kommen konnte, „schön“, dass die Presse so zahlreich und durch die Damen so „schön“ vertreten ist. „Schön“, dass man gerade hier zusammengefunden hat, denn bereits in den Dreißigern war das der gesellschaftliche Treffpunkt, am Golfplatz Wannsee. Wenn ich später noch Fragen hätte, würde man sich freuen, ich könnte mich ja persönlich …“

Langsam treffen die Gäste ein, zahlreich und berühmt, es soll ja auch ein gesellschaftliches Ereignis werden. Angemeldet sind das Ex-Schweizer-Botschafter-Ehepaar Borer-Fielding, der Schauspieler Wolfgang Völz und Prinz Michael von Anhalt. Einen visuellen Höhepunkt bieten die begleitenden Damen: grasgrüner Hosenanzug, Ton in Ton mit Golfgrün, oder auch eine gewagte Kombination in Komplementärrot mit farblich passender Haarsträhne, was Frauen ab Mitte sechzig besonders gut zu Gesicht steht.

Apollinaris „Silence“ und Champagner werden von echten „Servierfrolleins“ mit Schürze und Häubchen ausgeschenkt und tun langsam ihre Wirkung. Ich suche die Damentoilette auf. Inmitten von rosa Granit und einem alles durchdringenden Pfirsichduft spielt sich das wahre Leben ab: Ich erfahre, dass Frau Rau heute Mittag bei Udo Walz war. Hier und da gibt es Küsschen, aber eher vereinzelt, schließlich ist das hier Berlin, nicht München.

Obwohl Veranstalter und Gäste sich jede Menge Mühe geben, den Eindruck zu erwecken: „Man ist wieder wer“, werden einige Damen die nächsten Einladungen wohl eher nicht bekommen: Sie tragen Hut, und die ansonsten zur Schau gestellte Mode geht zwar kreuz und quer über viel Blume bis hin zu Monochromschwarz, aber: Kein Hut! Das hat Folgen! Ein weiterer Fauxpas: Zum pfirsichfarbenen Kleid ein gelber Nerz!

Doch auch der Golf-Club ist ein Ort der Rebellion, hier findet bewusste Provokation statt: Ein Stehtisch mit sehr jugendlichen Thirtysomethings stellt die Enfants terribles der Generation Golf: „Wild in Weiß“ verbreiten sie einen Hauch Kraftwerk, aufgelockert mit Beckham-Irokesenschnitt und FlipFlops, Letztere allerdings aus Leder, nicht die bösen, billigen, giftigen. Das Buffet ist ausladend und in drei Räumen nach Vor- Haupt- und Nachspeise geordnet. Es wird heftig frequentiert, und natürlich bekommen auch die mitgeführten Möpse ihre Häppchen.

Doch zurück zur Uhr: Selbstredend baut Jaeger-LeCoultre „alles selbst“, in einem abgeschiedenen auf 1.050 Meter Höhe gelegenen Schweizer Tal. Das Bild von reizenden Alm-Öhis mit Uhrglas im Auge brennt sich unauslöschlich ins Gehirn. Derweil preist der französische Uhrdesigner die künstlerischen Feinheiten. Dabei wird er von einer französischen, natürlich wieder sehr „schönen“ Operndiva charmant übersetzt: „Die Huhren haben auch ein interessantes Innenleben, Sie begleiten Sie Ihr Leben lang.“

Der Abend schreitet voran, der Mond geht auf und ist einstecktüchleinrosa, fast ein „kleiner Gatsby“. Aber dann wird am neureichen Neuköllner Tisch mit toupierter Dauerwelle und Goldkettchen etwas zu laut gelacht, und die schöne Stimmung ist dahin. Mittlerweile hat die Veranstaltung den Charakter einer besseren Butterfahrt gewonnen, denn jetzt ziehen sehr blonde, sehr dünne Models mit Catsuite und drei Uhren pro Handgelenk von Tisch zu Tisch und versuchen die Reverso Gran’Sport an den Mann bzw. das diamantierte Model „Fish“ zu 29.000 Euro an die Frau zu bringen.

Der Abend fängt an, etwas streng zu riechen, was nicht nur an der Vorspeisenmakrele liegen kann. Zeit, zu gehen. Mit dem Fahrrad vorbei an den großen Wagen und zurück in die Lichter der Großstadt.