Traurige Party

Der HSV begeht das Fest seiner 40-jährigen Bundesligazugehörigkeit mit einem 0:3 gegen Bayern

HAMBURG taz ■ Schluss mit den Partydrogen. Auch wenn der Hamburger Sportverein noch so viel Grund gehabt haben mag, der Versuchung dieses Kicks nicht zu widerstehen. Im 75. Aufeinandertreffen zwischen dem HSV und Bayern München gab es außer diesem Jubiläum zusätzlich das 40. Jahr der Erstligazugehörigkeit der Hamburger abzufeiern. „40 Jahre 1. Liga – wir sind die wahren Sieger“ texteten dazu gierige HSV-Fans und sollten zumindest aus historischer Sicht Recht behalten. Als Gründungsmitglied der 1963 installierten Großraumdisco Bundesliga ist der HSV noch nie in den Underground-Club 2. Liga abgestiegen. Ein Titel, den kein zweiter Verein mit den Hanseaten teilen kann. Da darf schon mal maßlos gefeiert werden.

Sich aber die Bayern zur Feier des Tages auf dem Silbertablett präsentieren zu lassen und gerollte Geldscheine in einer Anzeige im Stadionheft zu präsentieren, ist nicht ungefährlich. Die Konsequenzen sind vorher jedenfalls kaum absehbar, da der Wirkstoff Bayern bereits viele tolle Partys versaut hat. Sich dem Stoff zu verweigern ist aber auch nicht drin. In der 74. Spielminute des ditten Spieltags zeigte die in der Arena im Volkspark installierte Bundesligazugehörigkeits-Uhr eben just 39 Jahre, 0 Tage, 0 Stunden, 0 Minuten und 1 Sekunde – und der Gegner abseits jedem Schwelgen in Vergangenheit war nun mal der FC Bayern München.

Es gab also kein Zurück mehr und so half nur ein Motto: Her mit dem Zeugs, dass mit seinen unberechenbaren Inhaltsstoffen (Kahn, Ballack, Elber, Salihamidzic, Pizarro und was den besten Kader noch alles so gefährlich macht) und trotz aller beschriebenen Nebenwirkungen (45 Niederlagen, 15 Unentschieden, 14 Siege) vorfreudige Stimmung auf Seiten der Hamburger Partybetreiber auslöste und für eine ausverkaufte Hütte mit reichlich Stoff sorgte. Und siehe da: Gleich mit Partybeginn legten die Hamburger ihre Nervosität ab, starteten selbstbewusst und spielten anfänglich euphorisch in die haarfeinen Fugen der bayrischen Defensivreihe. Ja, das fühlt sich gut an, mag wohl auch HSV-Trainer Kurt Jara zwischen der ersten und 15. Minute gedacht haben, um später stellvertretend für die Mannschaft einzugestehen, sich im Umgang mit der Partydroge Bayern „zu naiv verhalten“ zu haben. Die ersten motorischen Ausfälle im Mannschaftgefüge traten im zentralen Bereich zwischen Mittelfeld und Sturm auf. Teils nahe dem Rausch durchgeführte Kombinationen über die Außenpositionen (Bayern-Coach Ottmar Hitzfeld: „Der HSV hat alles unternommen, uns ein schweres Spiel zu bereiten“) fehlten die Anspielstationen in der Spitze. In der 25. Minute beendete dann die erste Konzentrationsschwäche die prickelnde Stimmung: Michael Baur verließ Pizarro und die Sprungkraft – und der Peruaner köpfte nach einem Freistoß von Hargreaves das 0:1. Beinahe gleichgültig agierte das HSV-Team nun die verbleibenden 20 Minuten der ersten Hälfte.

Ordentlich frisch gemacht ging der HSV schwungvoll in die zweite Halbzeit. Hitzfeld ruderte heftig mit den Armen, offensichtlich in Sorge über eine HSV-Mannschaft, die sich durch den möglichen Ausgleich in einen zweiten Rausch zu spielen schien, der auch bei Kurt Jara Wirkung zeigte: Der HSV-Coach wurde vom Größenwahn gepackt. „Man kriegt immer die Chance auf einen Ausgleich“, knirschte er nach dem Spiel – während der Partie hatte er mit Roda Antar und Cristian Ledesma zwei offensivere Varianten für Michael Baur und Raphael Wicky eingewechselt. Überdies brachte er mit Richard Kitzbichler für Abwehrspieler Ingo Hertzsch den fünften Stürmer. In der Summe sollte sich dies als Überdosierung herausstellen, die das gesamte Team in ein schwarzes Loch zog. Filmriss! Keine zehn Minuten später (85.) erzielte Claudio Pizarro sein zweites Tor und bei den Jubilaren vom HSV stellte sich Katerstimmung ein. Nach weiteren 5 Minuten traf Zickler auch noch zum 0:3. Dann war die Party endgültig zu Ende. OKE GÖTTLICH