„Wir sind eine kleine Macht“

Ahmad Berwari, Vertreter der Patriotischen Union Kurdistans, spricht sich gegen eine militärische Invasion im Irak aus. Er setzt sich für ein Treffen der Oppositionsgruppen ein und kritisiert die Besetzer der Botschaft in Berlin

taz: Bereiten die USA einen Krieg gegen den Irak vor?

Ahmad Berwari: Wir haben das Gefühl, dass die USA entschlossen sind, nicht mehr mit der Regierung von Saddam Hussein zu verhandeln, sondern ihn von der Macht zu entfernen.

Glauben Sie, dass die US-Regierung Ihnen, den Kurden, diesmal helfen wird?

Die Frage ist, ob die US-Regierung gegen Hussein etwas unternimmt. Ob sie uns hilft oder nicht, ist eine andere Frage. Wir lehnen eine militärische Invasion ab. Wir sind nicht damit einverstanden, dass die Infrastruktur Iraks zerstört wird, auch wenn der Vorwand die Entfernung Husseins aus dem Amt ist. Wir kämpfen für die Etablierung eines demokratischen, pluralistischen und föderativen Irak.

Der Vorsitzende Ihrer Partei, Jelal Talabani, hat gesagt: „Wir denken nicht daran, die USA blind zu unterstützen.“ Wird Ihnen denn etwas anderes übrig bleiben?

Wir arbeiten seit Jahrzehnten gegen die irakische Regierung, auch mit militärischen Mitteln: Wir ändern unsere Politik nicht nach der Haltung der USA, sondern nach den Interessen unserer Bevölkerung. Aber wir sind eine kleine Macht. Nicht einmal die Bundesregierung kann einen Krieg verhindern, wenn die USA dazu entschlossen sind.

Gibt es Anzeichen für einen bevorstehenden Einmarsch irakischer Truppen in die Kurdengebiete im Nordirak?

Seit einigen Monaten gibt es eine Konzentration der irakischen Armee an der Demarkationslinie. Wir glauben aber nicht, dass es ein Zeichen für einen Angriff der Regierungstruppen ist, sondern, dass sich die irakische Regierung gegen einen vermeintlichen Angriff von unseren Gebieten aus schützen will.

Ist ein Angriff geplant?

Eigentlich nicht. Aber das sind Befürchtungen der irakischen Regierung – obwohl wir mehrfach erklärt haben, dass wir die Sicherheit unserer Bevölkerung nicht gefährden wollen und unsere Gebiete nicht einmal der US-Regierung zur Verfügung stellen würden.

Ist eine Konferenz der Oppositionsgruppen geplant?

Die sechs großen Organisationen, die am 8. und 9. August in Washington Gespräche mit der US-Regierung führten, nehmen Kontakt mit den Oppositionsgruppen auf, die nicht anwesend waren. Wir bereiten die Abhaltung einer Konferenz vor.

Was sagen Sie dazu, dass die USA sich bislang weigern, Ihnen Gasmasken zur Verfügung zu stellen?

Wir verlangen von den USA, dass sie uns auch vor Giftgasangriffen schützen müssen, wenn sie einen Einsatz gegen den Irak vorhaben. Talabani hat sich vor etwa zwei Monaten in Ankara mit dem deutschen Botschafter getroffen und um Schutz gebeten – wie mit Spürpanzern in Kuwait. Schließlich waren an der Giftgasproduktion deutsche Firmen beteiligt. Wir haben keine Antwort erhalten.

Eine kleine irakische Oppositionsgruppe hat letzte Woche die irakische Botschaft in Berlin besetzt. Alle bekannten Oppositionsparteien haben die Aktion verurteilt. Ist die Besetzung ein Anzeichen dafür, dass der Wettbewerb untereinander heftiger geworden ist?

Nein. Diese Organisation ist keine oppositionelle Gruppe. Die PUK, die Demokratische Partei Kurdistan (KDP) und andere Oppositionsparteien kämpfen seit 30 Jahren gegen die irakische Regierung. Wir fühlen uns von einer solchen Gruppe nicht gefährdet. Ihre kriminelle Handlung ist nicht im Interesse der irakischen Opposition und des irakischen Volkes.

Wie sähe ein Irak nach Hussein für Sie aus?

Föderativ. Aber ein föderativer Irak könnte natürlich nur mit einer Zentralregierung bestehen. Die Entscheidung, ob ein föderatives System entsteht, muss die gesamte Bevölkerung treffen. Wir möchten keinen kurdischen Staat, sondern wollen Teil eines demokratischen, pluralistischen und multiethnischen Iraks sein und setzen uns für die Wahrung der Einheit Iraks ein.INTERVIEW: SEBASTIAN SEDLMAYR