Comedystars hüllen sich in Schweigen

Nach der Entlassung von Teammanager Andreas Brehme stehen die Zeichen beim 1. FC Kaiserslautern weiter auf Sturm

KAISERSLAUTERN taz ■ Die Nachricht vom Betzenberg kam per Fax. Offensichtlich wollen die Häuptlinge der „Roten Teufel“ nach den schlechten Erfahrungen der vergangenen Tage nicht mehr mit den Medien sprechen. Also schwarz auf weiß: Die Vertreter der Führungsgremien des 1. FC Kaiserslautern haben sich am Sonntagabend mit René C. Jäggi über ein Engagement als Vorstandsvorsitzender unterhalten. Der Verein trennt sich mit sofortiger Wirkung von Teammanager Andreas Brehme. Gleichzeitig scheidet Jürgen Friedrich auf eigenen Wunsch als Vorstandsvorsitzender aus.

Angesichts der jüngsten sportlichen Entwicklung beim 1. FC Kaiserslautern wäre die 264. Trainerentlassung im Verlauf von 40 Jahren Bundesliga nur eine Fußnote der Geschichte gewesen – wenn es sich dabei nicht um die Person Andreas Brehme gehandelt hätte. Der 41-Jährige hat sich besondere Verdienste ums Vaterland erworben: Im WM-Endspiel 1990 verwandelte er den entscheidenden Elfmeter gegen Argentinien. Für seine Courage hat er vom DFB ein Geschenk bekommen; wie alle anderen Weltmeister durfte er das Trainerdiplom in einem Kurzlehrgang erwerben. Ob der frühere Weltklassespieler überhaupt die intellektuellen und rhetorischen Fähigkeiten besitzt, ein Team mit über 30 Leuten zu führen und ein Millionen-Unternehmen zu repräsentieren – solch ganz normale Fragen sind rund um den Betzenberg erst aufgetaucht, als sich das Personal längst lustig gemacht hatte über die Versprecher des Chefs.

Dennoch wäre es unfair, den Trainer allein als Symbol für den Niedergang hinzuhängen. Auch ein Brehme könnte in dieser Branche funktionieren, sofern das Umfeld stimmt. Nur: Das ganze Vereinsgefüge beim 1. FC Kaiserslautern ist morsch und brüchig geworden. Das Klima ist seit der Rehhagel-Epoche verpestet. Vor allem von jener Clique um „König Otto“, die den Verein mit ihrer Selbstgerechtigkeit immer mehr gespalten und von der Basis entfernt hat: die Aufsichtsräte und Vorständler Robert Wieschemann, Jürgen Friedrich, Gerhard Herzog und Hubert Kessler, von deren rhetorischen und strategischen Qualitäten sich das Medienland Bundesliga zuletzt fast täglich überzeugen konnte.

Für die nächsten Tage findet die unsägliche Fortsetzungsgeschichte um die „Possen der Bosse“ (Die Rheinpfalz) wahrscheinlich ohne die Kommentare der neuen Comedystars statt. Von Brehme gab es verständlicherweise nichts zu hören. Dessen großer Mentor Friedrich („so lange ich hier etwas zu sagen habe, bleibt Brehme Trainer“) hat konsequent seinen Posten als Vorstandsvorsitzender geräumt, schwer beleidigt. Die übrigen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder haben über sich selbst eine Nachrichtensperre verfügt; bis zum 3. Oktober, wenn der Schweizer Unternehmer Jäggi das nächste Mal anreist und dann eventuell sein Engagement bekannt gibt, wollen sie nichts mehr sagen.

Immerhin hat sich Ministerpräsident Kurt Beck nun auch offiziell in die wichtigste sportliche Angelegenheit von Rheinland-Pfalz eingeladen und für heute Mittag zum Krisengipfel nach Mainz geladen. In dieser Runde will Anwalt Andreas Kirsch, Sprecher der Oppositionsgruppe „unser FCK“, den Mandatsträgern den Vorschlag machen, ihre Ämter sofort niederzulegen und den Weg für eine Notversammlung mit Neuwahlen freizumachen. Kirsch: „Die alten Seilschaften hier müssen endgültig ein Ende haben.“ Seit gestern wird der Verein nämlich auf allen Ebenen kommissarisch geführt: Herzog und Prokurist Erwin Göbel zeichnen fürs Präsidium verantwortlich, Kessler als Chef des Aufsichtsrats. Ausgerechnet der bei den meisten Fan-Gruppen verhasste Herzog und der für seine bescheidene Sprachgewalt häufig verulkte Expräsident. Zwei Lösungen, die das Verhältnis zwischen „Revoluzzern“ und (noch) Herrschenden weiterhin anspannen. Erst recht, nachdem in derselben Nacht aus der Bahnhofsstraße 26–28 ein Einbruch vermeldet wurde. In der Kanzlei des Anwalts Kirsch fehlen seither nicht nur Ordner über die Gegner Wieschemann, Friedrich sowie einige Transfer-Geschäfte des Vorstands; ein großer Teil der Unterschriftenlisten zur Einberufung einer außerordentlichen Vollversammlung ist mitverschwunden. MARTIN HÄGELE