Die Parole heißt Schweigen

In Dresden wächst die Kritik am Katastrophenmanagement: Zu späte Warnungen, hektische Evakuierungen, kaum Koordinierung der Helfer. Doch sächsische Regierung äußert sich nicht

aus Dresden MICHAEL BARTSCH
, aus Berlin NICOLE KUHN

Kein Kommentar – die Katastrophenbewältigung ist gerade wichtiger: Mit diesem Hinweis hat die sächsische Staatsregierung bislang alle Fragen abgewimmelt, die das Flut-Krisenmanagement der Dresdner Stadtregierung betreffen.

Einzig der Wissenschafts- und Kunstminister Matthias Rößler hat bisher auf Probleme während der Rettungseinsätze hingewiesen: Er kritisierte, dass die städtischen Pumpen in der Semperoper während des Flutscheitels abgezogen wurden – während die privaten Geräte am Hotel Kempinski gegenüber noch weiterliefen.

Besonders Oberbürgermeister Ingolf Roßberg (FDP), seit einem Jahr im Amt, steht unter Beschuss. Ihm wird vorgeworfen, dass viel zu spät vor der Katastrophe gewarnt worden sei – und dass auch die Rettungs- und Evakuierungsmaßnahmen anfangs kaum koordiniert gewesen seien. So habe der benachbarte Weißeritzkreis deutlich früher auf die Flutwarnungen reagiert. Zudem habe Dresden eine überflüssige Panik ausgelöst: Ohne Gegenrecherche habe das Rathaus die Falschmeldung verbreitet, die Talsperre Malter sei zerstört. Das hätte bedeutet, dass sowohl Freital wie Dresden noch weiter überflutet worden wären.

Zudem kursieren Berichte, dass eine verantwortliche Mitarbeiterin aus dem Ordnungsdezernat in der ersten Katastrophennacht kopflos getürmt sei. Jedenfalls wurde erst vier Tage später ein Jugendamtsleiter ersatzweise in den Krisenstab berufen.

Für besondere Aufregung sorgte in den vergangenen Tagen jedoch die Evakuierung des Universitätskrankenhauses. Die Klinikdirektoren Detlev Michael Albrecht und Gerhard Ehninger erhoben schwere Vorwürfe gegen die Stadt. Das Krankenhaus sei weitgehend funktionstüchtig gewesen – die „hektische und unverantwortliche“ Evakuierung habe Menschenleben gefährdet.

Unterdessen hat ein Sprecher des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft dementiert, dass es durch die Flut auf jeden Fall zu Erhöhungen der Versicherungsprämien kommen werde. „Zum jetzigen Zeitpunkt kann man noch nicht sagen, ob irgendwelche Beiträge steigen“, so Stephan Schweda. Allerdings müsse jedes Versicherungsunternehmen für sich selbst entscheiden – zumal man noch nicht wisse, wie hoch die Kosten der Versicherungen endgültig ausfallen werden.

Obwohl eine Gesamtbilanz der Schäden noch nicht vorliegt, gibt es einzelne Prognosen: In Brandenburg geht der dortige Krisenstab davon aus, dass das Hochwasser einen Gesamtschaden von bis zu 280 Millionen Euro angerichtet hat. Dabei sind noch nicht jene Schäden eingerechnet, die bei den Privathaushalten in der Prignitz entstanden sind. Sachsen-Anhalt wiederum beziffert die Schäden in der Landwirtschaft und im Umweltbereich auf 600 Millionen Euro.

In Niedersachsen zog sich die Flut weiterhin langsam zurück. Immer mehr Menschen kehren in ihre Häuser zurück. In den betroffenen Landkreisen gilt es als höchst wahrscheinlich, dass in den nächsten Tagen der Katastrophenalarm aufgehoben wird. „Seit gestern sind die Pegel in unserem Bereich zwischen 30 bis 35 Zentimeter gefallen“, sagte eine Sprecherin der Bezirksregierung Lüneburg.

Im schleswig-holsteinischen Lauenburg dagegen bedroht der hohe Wasserdruck die durchgeweichten Deiche auch weiterhin: Der Katastrophenalarm bleibt dort ebenso bestehen wie in Teilen Sachsen-Anhalts.