Deutschland schmiert ziemlich ab

Transparency International: Im Kampf gegen Korruption liegt Deutschland im europäischen Maßstab im unteren Drittel – weltweit nur einen Platz vor Botswana. Die Praxis der Auftragsvergabe nach der Flut trägt nicht zu einem besseren Bild bei

von ROLAND HOFWILER

Beim Kampf gegen Korruption bessert sich in Deutschland kaum etwas. Nach dem neuen Jahresbericht von Transparency International, der bekanntesten Nichtregierungsorganisation in Fragen von Geldwäsche, Bestechung und Vorteilsgewährung, kletterte die Bundesrepublik im weltweiten Vergleich nur geringfügig vom 20. auf den 18. Platz. Im Rahmen der aktuellen Studie, die Transparency gestern in Berlin vorstellten, waren 102 Staaten untersucht worden.

Im europäischen Vergleich liegt Deutschland im unteren Drittel, weit abgeschlagen hinter allen skandinavischen Staaten. „In Finnland oder Dänemark gilt längst der Grundsatz: alle öffentlichen Ausschreibungen sind für jedermann einsehbar“, erklärte der Transparency-Vorsitzende Peter Eigen. „In Deutschland heißt es, alles vertraulich und basta. Damit bekommt niemand Einblick in öffentliche Ausschreibungen.“ Wenn dies weiterhin Praxis bleiben sollte, dann rechne seine Organisation damit, dass die Bundesrepublik in der Korruptionsskala weiter abrutschen werde. Eigen: „Irgendwann überholt von Botswana.“

Mit Sorge verfolgt Transparency, wie gerade in den Tagen nach der großen Flutkatastrophe entlang der Elbe „in Eile Aufträge an einige Großfirmen vergeben werden“, unkontrolliert, intransparent und für Außenstehende nicht nachvollziehbar. Zumindest nachträglich müssten die staatlichen Stellen künftig ihre Entscheidungen öffentlich machen, so der Tipp von Transparency, ansonsten käme die Bundesrepublik bei internationalen Mitbewerbern noch weiter in den Ruch der Vorteilsnahme – entgegen der gesetzlichen EU-Bestimmungen.

Scharfe Kritik übte Eigen, der einst als Regionaldirektor der Weltbank tätig war, auch an den Parteien, die bislang zu wenig bei der Korruptionsbekämpfung unternommen hätten, nur in den Bundesländern Brandenburg, Berlin, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein gebe es wirksame Gesetze gegen Bestechung und Vorteilsgewährung. Darüber hinaus plädiert Transparency für die rasche Verabschiedung des schon lange angekündigten Antikorruptionsregisters, das in Bestechungsskandale verwickelte Firmen öffentlich an den Pranger stellt.

Nach der Transparency-Studie schnitten Finnland und Dänemark beim Kampf gegen Korruption weltweit mit Abstand am besten ab. Auf einer Skala mit einer Bestnote von 10 lagen sie bei 9,7 beziehungsweise 9,5 Punkten. Deutschland, das schon im vergangenen Jahr zurückgefallen war, verschlechterte sich weiter von 7,4 auf 7,3 Punkte. Innerhalb der EU auf den letzten Plätzen liegen Italien (5,2) und Griechenland (4,2), in Osteuropa sind die Balkanstaaten Rumänien (2,6), Albanien (2,5) und Moldawien (2,1) Schlusslichter. Weltweit am schlechtesten abgeschnitten haben Nigeria (1,6) und Bangladesch (1,2).

Kritik übt Transparency auch an den Vereinigten Staaten, wo die Macht einiger Konzernchefs solche Ausmaße angenommen habe, dass eine Kontrolle über ihr Handeln und selbstherrliche Absprachen mit anderen Firmen über gewisse Großprojekte nicht mehr gewährleistet sei.

Die Anti-Korruptions-Organisation veröffentlicht bewusst keine Zahlen über das Ausmaß an Korruption in einem Land, sondern belässt es beim so genannten Korruptions-Wahrnehmungsindex. Dieser Index reflektiert den Grad der Korruption, wie er von Weltbank, UNO-Organisationen, Geschäftsleuten, Wissenschaftlern und Risikoanalytikern wahrgenommen wird. Vor allem auf den Begriff „Wahrnehmung“ legt Transparency großen Wert. Dabei schneidet Weißrussland unter Diktator Lukaschenko erstaunlich gut ab – mit 4,8 Prozentpunkten vor Griechenland.