Das Bremer Screening-Programm

In Bremen sowie in Wiesbaden und im Weser-Ems-Gebiet werden mit einer Laufzeit von drei Jahren Modellprojekte zur Früherkennung von Brustkrebs durchgeführt. In Bremen begann das Projekt vor einem Jahr. Zeit für eine Bilanz

„Eine Evaluation ist auch finanziell nicht drin gewesen.“

von GUDRUN FISCHER

Professor Hans Junkermann, Leiter des Bremer Modellprojekts, ist mit den Ergebnissen des ersten Jahres zufrieden. Insgesamt wurden bisher fast 8.500 Frauen untersucht. Bei 537 Frauen gab es einen „unklaren Befund“ (6 Prozent). Davon hatten 76 Frauen ein Karzinom, das sind 9 von 1.000. Das sei viel, sei aber dem Anfangseffekt geschuldet.

Von den Frauen, die den Auswertungsfragebogen ausgefüllt hatten, ist nur positive Resonanz gekommen. Auch die Röntgengeräte im Projekt und die Doppelbefundung durch zwei unabhängige erfahrene Ärzte bekamen vom holländischen Partnerinstitut gute Noten. Außerdem ist es die Hälfte der per Brief eingeladenen Frauen, die zum Screening kommen. Bis zum Ende der ersten Einladungsrunde werden es an die 60 Prozent sein, hofft Junkermann. Auch die vor zwei Jahren aufgetauchten generelle Zweifel an der Effektivität von Mammografie sieht das Bremer Modellprojekt durch neue Studien widerlegt.

Da ist die WHO, die im März in Lyon die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) beauftragte, noch einmal die Studien zu Mammografie und Senkung der Brustkrebsmortalitätsrate zu prüfen. Die IARC befand, dass in den internationalen Studien ausreichend Beweise vorgelegt worden seien: Das Mammografie-Screening senke bei Frauen zwischen 50 und 69 Jahren die Sterberate um circa 35 Prozent.

Ist nun die Kontroverse um Mammografie beigelegt? Nein. Denn immer noch werden Zweifel an der Senkung der Brustkrebssterberate durch Röntgenreihenuntersuchungen erhoben.

Ganz unabhängig von diesem wissenschaftlichen Streit sorgten in Bremen zwei Einrichtungen für Turbulenzen. Die eine ist das Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (bips), das vor ein paar Jahren Mitantragsteller für das Projekt war. Es sollte eine wissenschaftliche Evaluation und Dokumentation einführen. „Das wurde durch die Koordinationsstelle in Köln beim Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung abgeblockt“, berichtet Professor Eberhard Greiser, Leiter des bips.

Das Ziel war, mittelfristig feststellen zu können, ob eine hohe Beteiligung gegeben ist und mehr Brustkrebsfrühformen erfasst werden können. „Um epidemiologisch ausgewertet werden zu können, muss das Programm aber 70 Prozent Beteiligung von Frauen zwischen 50 und 69 Jahren haben“, sagt Greiser. Diese Zahl – rund 50.000 Frauen – wird in Bremen nicht erreicht. Nun hat sich das bips aus dem Projekt zurückgezogen. „Wir haben einen Ruf zu verlieren“, so Greiser.

Dass das bips ausgestiegen ist, findet Junkermann kein Problem. Denn dass die Mortalitätsrate sinkt, kann nach seiner Meinung mit den Bremer Daten sowieso nicht gezeigt werden. Es seien zu wenige Daten, und drei Jahre seien zu kurz. „Eine Evaluation ist auch finanziell nicht drin gewesen“, so Junkermann.

Greiser jedoch meint, dass ein teueres Verfahren (4,5 Millionen Euro), das auf die gesamte weibliche Population über 50 Jahre angewendet wird, auf keinen Fall ohne eine exakte wissenschaftliche Evaluation durchgeführt werden sollte. Denn jedes Verfahren hätte seine Fehler und Risiken.

Doch auch der Mathematiker Professor Heinz-Otto Peitgen, einst Hauptantragsteller für das Modellprojekt in Bremen, findet eine Evaluation nicht mehr nötig. Grund: Die Entscheidung für eine flächendeckende Einführung von Mammografie in Deutschland ist schon gefallen. „Das ist eine wissenschaftliche Bankrotterklärung“, resumiert Greiser. Nun werden für Junkermann und Peitgen weitere Gelder fließen. Sie streben eine Digitalisierung der Mammografiebilder an. So können die Bilder per Computer von einem Ort zum anderen gesendet werden. Beispielsweise von den Mammografiebussen im Ems-Gebiet direkt an die auswertenden Ärzte.

Der andere Partner, mit dem das Bremer Screening-Projekt Schwierigkeiten hatte, ist das FrauenGesundheitsZentrum (FGZ). „Sie geben ab und zu falsche Informationen“, sagt Junkermann. Es hätten sich schon Frauen beschwert. „Das FGZ betont eher die kritischen Aspekte. Das finde ich nicht falsch, aber für die Frauen sieht es so aus, als wäre es unser Projekt, und die Frauen sind verwirrt.“

Das FGZ besteht darauf, neutral zu informieren und damit jeweils die einzelne Frau bei einer informierten Entscheidungsfindung zu unterstützen. „Wir verstehen uns nicht als Werbeträger für das Screening-Projekt“, so Heide Mertesacker und Gesa Tontara vom FGZ. Immerhin haben insgesamt 1.600 Frauen im letzten Jahr das Beratungsangebot des FGZ und der Bremer Krebsberatung genutzt. Die Frauen, die beim FGZ anrufen, haben Ängste und Zweifel und fühlen sich unter Druck, der Einladung zu folgen.

Zu den Informationen des FGZ über Brustgesundheit gehört auch die Brusttastuntersuchung. „Darin sehen wir aber keinen Gegensatz zur Mammografie“, so Tontara und Mertesacker. Sie raten betroffenen Frauen, sich einen Röntgenpass zuzulegen, in dem jede Röntgenaufnahme verzeichnet ist, so dass Doppeldiagnosen vermieden werden. „Wir verfolgen im Bremer FGZ einen integrativen Ansatz und setzen uns für fachübergreifende und qualitätsgesicherte Brustzentren ein.“ „Brustzentrum“ ist das neue Schlagwort in der Brustkrebsdiskussion. Nordrhein-Westfalen will in 3 bis 5 Jahren 50 Brustzentren einrichten, damit Frauen mit Brustkrebs nicht falsch oder schlecht operiert werden. Auch in anderen Bundesländern versuchen Krankenhäuser auf den Zug „Brustzentrum“ aufzuspringen.

Ende Juni hat das Bundesgesundheitsministerium die Brustkrebsdebatte noch ein wenig mehr angekurbelt. Brustkrebs wurde zusammen mit Asthma in das Disease Management-Programm (DMP) aufgenommen. Brustkrebspatientinnen verpflichten sich per Einschreibung, innerhalb dieses Programms und nach dessen Leitlinien behandelt zu werden. Schon hagelt es erste Kritik: Die Deutsche Krebsgesellschaft möchte das Programm zurückgerufen sehen, weil es Qualitätsanforderungen nicht standhält.

Dass Brustkrebs immer mehr wie eine Epidemie gehandhabt wird, findet Eva Schindele, Wissenschaftsjournalistin und Autorin („Pfusch an der Frau) erschreckend. „Warum sollen Frauen in einer Reihenuntersuchung ihre Brüste röntgen lassen, so wie in den 50er-Jahren die Lunge von Menschen wegen TBC geröntgt wurden? Besteht Ansteckungsgefahr? Oder die Gefahr einer Epidemie? Sind Brüste Zeitbomben?“ Schindele betont, dass in Deutschland seit ein paar Jahren die Brustkrebssterblichkeit sinkt – ohne Reihenuntersuchung!

Zweitens merkt Schindele an, dass Mammografie nicht vor Brustkrebs schützt. Es kann ein Tumor früher entdeckt werden –nicht immer ist das ein Vorteil, denn kleine Tumore hätten die Frau möglicherweise nie bedroht. „In allen Screening-Ländern steigt die Zahl der Brustkrebsfälle dauerhaft an“, führt die Journalistin an. Drittens macht sie darauf aufmerksam, dass Mammografie nicht alle Tumore erkennt. Sie verweist darauf, dass die häufig in den Wechseljahren gepriesene Hormonsubstitution die Brust dichter macht und so eine Befundung erschwert.

Infos: www.mammascreening-bremen.de, www.bremerkrebsgesellschaft.de