Kurzer Prozess nach der Flut

Nur einzelne Diebe nutzten das Hochwasser. Justiz wendet beschleunigte Verfahren an – bei untreuen Spendensammlern oder kriminellen freiwilligen Feuerwehrmännern

BERLIN taz ■ Marodierende Banden, die in Hochwassergebieten plündernd durch die Gegend ziehen? Fehlanzeige. Die zuständigen Behörden haben klargestellt: Hinter den von der Polizei erfassten Delikten stecken Einzelpersonen, die die Situation ausnutzen. Besonders betroffen war dabei Sachsen. Nach Angaben des dortigen Innenministeriums gab es 64 schwere und 13 einfache Diebstähle. Die Staatsanwaltschaften sind angehalten, beschleunigte Verfahren anzuwenden.

Bisher fand in Sachsen ein solches Verfahren statt. Ein 47-Jähriger aus Borna wurde zu einer Geldstrafe von 1.600 Euro verurteilt. Der Mann, der Sachspenden vom Roten Kreuz verwalten sollte, hatte ein Fahrrad und eine Kaffeemaschine abgezweigt. In Grimma wartet derzeit ein 35-Jähriger im Gefängnis auf seinen Prozess wegen räuberischen Diebstahls, Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Er hatte während einer Sammlung für Flutopfer 25 Euro aus der Spendenkasse entwendet und, als er ertappt wurde, einen Polizisten geschlagen.

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft in Dresden weiß zudem von einem besonders skurrilen Fall zu berichten. Ein 34-jähriger Mann war, als die Flut ihren Höchststand erreicht hatte, in das gesperrte Amtsgericht eingedrungen, hatte die Wände mit Graffiti beschmiert und einen Computer gestohlen. Er wollte seine zahlreichen Einträge ins Strafregister wegen Sachbeschädigung durch Graffiti löschen. Weil der Mann unter eingeschränkter Schuldfähigkeit leidet, wurde er in die Psychiatrie eingewiesen.

In Sachsen-Anhalt wurde ein 44-jähriger Gelegenheitsarbeiter verurteilt. Der Mann, Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr, war in drei Wohnhäuser in einem evakuierten Ort bei Wittenberg eingebrochen, hatte sich an Essen und Alkohol gütlich getan und 20 Euro gestohlen. Er bekam ein Jahr Haft auf Bewährung und 500 Stunden gemeinnützige Arbeit – abzuleisten bei der Freiwilligen Feuerwehr.

Beim Landgericht Magdeburg ist ein Verfahren anhängig gegen einen Mann, der in Zeitungsannoncen zu Spenden an einen nicht existierenden Verein aufrief und seine eigene Kontonommer angab. Weil er sich kurz vor der Verhandlung krankmeldete, wurde der Termin verschoben.

Auch in Brandenburg stand ein Dieb wenige Tage nach der Tat vor Gericht. Ein vorbestrafter 20-Jähriger hatte einem schlafenden Einsatzhelfer seinen Rucksack mit Taschenrechner und Kamera gestohlen. Der Preis: sechs Monate Haft. B. BOLLWAHN DE PAEZ CASANOVA