Enorm geistreich

Punkte sammeln – am Sonntag sind zwei belgische Top-Pop-Agenten im NBI: Ming

von MOIRA LENZ

Belgien ist ein kleines Europäische-Union-Nischenland, dessen erfolgreichstes Exportprodukt wahrscheinlich Schokolade ist. Da hat man es nicht leicht, wenn man wie Ming aus Brüssel kommt und elektronische Musik macht. Eingeklemmt zwischen Bruder Frankreich und Schwester Deutschland mit ihren stark lancierten Elektro-Exporten von Air bis Daft Punk, von Egoexpress bis Mouse On Mars, haben Ming es zusätzlich schwer. So sind sie trotz Tour-Freudigkeit und zahlreichen Kontakten zur europäischen Elektroszene bis jetzt eine kleine Elektronik-Nischenband geblieben. Mit dem simplen Bandschema: Frau Frédérique singt nüchtern über melancholisch unsentimentale Elektronik-Tracks, Herr Nicolas singt melancholisch über nüchtern-sentimentale Elektronik-Tracks – voilá: Le Ming-Effekt.

Der hört sich ein bisschen an wie eine Mischung aus Kraftwerk gaaanz früher und Aavikko, als sie noch nicht wie Kraftwerk gaaanz früher geklungen haben. Die Texte variieren zwischen Französisch und Deutsch, zwischen Fassbinder und Rimbaud, und machen einen enorm geistreichen Eindruck: beredte Zeugen der guten humanistischen Bildung durch die belgischen Schulen. Ein Hoch auf Pisa! Doch auch die gute humanistische Bildung hat den reizenden französischen Klischee-Akzent der Brüsseler nicht zu glätten vermocht, weswegen man sagen kann: Ming klingen auch sexy.

Auf „Intérieur-Extérieur“, ihrem zweiten Album, sind ein paar „Schlüssel-Geräusche“ zu hören, nämlich die eines Commodore 64. Jeder ordentliche Haushalt hatte seinerzeit bekanntlich einen, und in jedem ordentlichen Haushalt wurde eigentlich nur gespielt: großartige Jump-and-Runs wie „Wonder Boy“ oder auch „The Great Gianna Sisters“. Letzteres war leider recht unbekannt, aber cooler, schöner und toller als „Wonder Boy“, weil es die besseren Geräusche beim Punktesammeln und End-Monster-Töten hatte. Mit genau diesem Sound machen Ming Musik: Unbekannter, aber cooler, besser und toller als die Großen.

Und weil sich „Intérieur-Extérieur“ so schön neu und bekannt anhört, haben eine Menge berühmter Leute Remixes zu den Stücken angefertigt; herausgekommen ist, wie zu erwarten war, ein Remix-Album, das auf den Titel „Extérieur Remix“ hört. So klingen die Belgier auch nach Barbara Morgenstern, nach Turner und auch nach Ruth & Richard feat. Peter Thiersen von Kante. Eine Platte mit richtigen House-Tanzstücken à la Rework und elegischem Franko-Pop à la Christophe Bailleau.

Und lernen für die Alten lässt es sich mit Ming auch: Flash Gordons Gegenspieler in der Schwarzweiß-Fernsehserie hieß Ming und war auch bedeutend cooler als Flash (wenn auch nicht schöner). Aber auf jeden Fall herrlich futuristisch-altmodisch – auch das passt auf Ming.

Samstag ab 21 Uhr im NBI, Schönhauser Allee 157, Prenzlauer Berg