Alles und nichts im Griff

Der südafrikanischen ANC-Regierung und ihren Sicherheitsorganen fällt der Umgang mit den Demonstranten beim Weltgipfel schwer. Die Lehren aus der Apartheidzeit müssen erst umgesetzt und die nötige Gelassenheit muss noch gelernt werden

aus JohannesburgMARTINA SCHWIKOWSKI

Die Nervosität der südafrikanischen Regierung auf dem Weltgipfel in Johannesburg zeigt sich im Verhalten der Polizei, die gegen mutmaßliche Störenfriede und Krawallmacher hart durchgreift. Gewaltsame Einsätze gegen Demonstranten wollte Südafrika als Gastgeber unbedingt vermeiden. Die Botschaft der Regierung schon vor Beginn des größten Prostestmarsches während des Gipfels am Samstag war überdeutlich: Wir haben alles im Griff. Der geplante Sternmarsch auf die Verhandlungsbastion bei den Luxushotels im exklusiven Sandton, dem Ort der UN-Konferenz, war den als radikal eingeschätzten Protestgruppen – zum Beispiel der Bewegung der Landlosen – verboten worden. Niemand sollte wagen, bestehende Gesetze zu brechen, drohte das Sicherheitsministerium.

Doch am Ende siegten die Protestgruppen, nachdem die Linke intern Druck gemacht hatte. So bewog zum Beispiel Gewerkschaftsführer Zwelinzima Vavi, der die Versammlungsfreiheit in der neuen Demokratie gefährdet sah, die Regierung Mbeki, von ihrer harten Linie abzurücken und die Route für alle Demonstranten freizugeben. Friedlich zogen dann statt der erwarteten 20.000 Menschen etwa 5.000 mit Sprechchören wie „Africa is not for sale“ und „Bomb Sandton“ vom Versammlungspunkt im benachbarten ärmsten Township Alexandra zum Konferenzort Sandton.

Zwei Hauptströmungen von Demonstranten waren auf der hermetisch abgeriegelten Marschroute auszumachen: Unter dem Banner des Global Forum hatten sich die eher gemäßigten nationalen und internatioanlen Nichtregierungsorganisationen mit Südafrikas Gewerkschaftsbund und Kommunistischer Partei vereint, die beide Regierungspartner des ANC sind. Privatisierungs- und Globalisierungsgegner demonstrierten als Social Movement Indaba gegen den Gipfel. Mit ihnen protestierte die Landlosenbewegung, die Enteignungen der weißen Farmer in Südafrika fordert.

Die Demo war ein Lehrstück für Südafrika, künftig mit Protestaktionen gelassener umzugehen. Die Regierung stehe unter dem Druck der UNO, die Teilnehmer und den Ablauf des Gipfels zu schützen, meint der Experte für Sicherheitsfragen an der Universität Witwatersrand in Johannesburg, Eldred de Klerk. „Die Staatsoberhäupter, die jetzt auf der Konferenz auftauchen, werden uns zeigen, welche Interessen geschützt werden sollen.“

Aber auch die Lektion aus den brutalen Polizeieinsätzen der Apartheidzeit müsse noch gelernt werden. Die Verantwortlichen in der jetzigen ANC-Regierung – Exaktivisten im Befreiungskampf – seien sich zwar der Überreaktion bewusst, agierten jedoch mit den Methoden des früheren Feindes („Erst kommen wir mit der eisernen Faust, dann können wir reden“), sagt De Klerk. Es liege noch ein weiter Weg vor ihnen, denn die unterschiedlichen Interessen von fanatischen „Sicherheitsjunkies“ aus der alten Zeit bis zum befehlshörigen, engstirnigen Polizisten an der Straßenecke seien miteinander abzustimmen. Obendrein sei der Weltgipfel für Sicherheitsminister Charles Nqakula eine große Bewährungsprobe, nachdem er erst vor wenigen Monaten sein Amt übernommen hat.

Nqakula ließ Taten folgen: Kurz vor Gipfelbeginn feuerte die Polizei in einer Überreaktion Blendgranaten in eine friedliche, aber nicht genehmigte Demo. Aktionen internationaler Greenpeace-Aktivisten wurden scharf verurteilt: Diese Art von Leute brauche Südafrika nicht, sie sollen so schnell wie möglich das Land verlassen, hieß es.

Letztlich wurde die Stimme der Zivilbevölkerung nicht unterdrückt. Aber die Kritik der Demonstranten am Gipfel und an der Regierung blieb vergleichsweise leise. Befürchtete Krawalle vom Format Seattle oder Genua blieben aus. Von provokativ-harten Fronten zwischen Gipfelteilnehmern und Globalisierungskritikern konnte keine Rede sein.