Ostsee kippelt

Algen sorgen für sinkenden Sauerstoffgehalt. Die ersten Fische wandern ab. Verursacher Landwirtschaft

Der geringe Sauerstoffgehalt der Ostsee macht der Tierwelt zu schaffen. „Die ersten Fische sind definitiv abgewandert“, sagte der schleswig-holsteinische Umweltminister Klaus Müller (Grüne) gestern in Kiel. Am Meeresgrund seien bereits erste tote Tiere, die nicht hätten flüchten können, gefunden worden.

Teile der dänischen Gewässer sind biologisch gesehen bereits so gut wie tot, weil Algen in den unteren Wasserschichten so schnell wuchern, sagte der Forschungschef des dänischen Umweltforschungsinstitutes (DMU), Bo Riemann, bereits Anfang dieser Woche. Jetzt breitet sich das Sauerstoffloch in den deutschen Teil der Ostsee aus. Müller zufolge haben die 23 deutschen Messstationen im Durchschnitt 0,3 Milligramm Sauerstoff je Liter gemessen. Ein Sauerstoffgehalt von weniger als zwei Milligramm je Liter bereitet Fischen Atemprobleme.

Schuld an der Misere sind nebem dem warmen Sommer die Gülleeinträge aus der Landwirtschaft. Sie begünstigten das Wachstum der Algen, die nun den Sauerstoff verzehren. „Das ist nichts, was man jetzt noch irgendwie kurzfristig reparieren könnte“, bedauerte Müller. Ob die Ostsee umkippen werde, sei noch nicht zu sagen.

Für den Hamburger Meereswissenschaftler Horst Gaul ist das alles nichts Neues. „Die generelle Situation war vor etlichen Jahren sogar schlechter“, sagte der Diplom-Chemiker vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). Für ihn seien das Schwankungen innerhalb der natürlichen Bandbreite.

In der Nordsee hat sich nach Messungen des BSH durch die Flut kaum etwas verändert. Es seien unwesentlich mehr Nähr- und Schadstoffe ins Meer gespült worden als das sonst der Fall ist. Bei Schadstoffen lasse sich das noch nicht abschließend beurteilen. „Entweder die Auswirkungen sind überschätzt worden oder sie kommen noch auf uns zu“, sagte Gaul. Bis das Flut-Wasser in die Deutsche Bucht hinaus schwappe, könnten noch drei Wochen vergehen. lno