Wer hat’s erfunden?

Die Schweizer natürlich: Im Streit um die anstehende Übernahme von Leo Kirchs Springer-Anteilen könnte die Ringier AG den weißen Ritter spielen

von STEFFEN GRIMBERG

Ringier. Schon mal gehört? Genau: Das waren die mit der angeblichen Sexaffäre um den Schweizer Exbotschafter Thomas Borer. Konzernchef Michael Ringier musste auf der ersten Seite seines Boulevardblattes Sonntagsblick wortreich Buße tun. Und schuld an der Malaise, die dem größten Medienhaus der Schweiz einen „kolossalen Imageschaden“ (Weltwoche) bescherte, waren angeblich die aus Deutschland stammenden Chefredakteure.

Mit eben solchen könnte Michael Ringier demnächst wieder zu tun haben: Als „weißer Ritter“ im Kampf von Kirch und Springer ist sein Konzern unterwegs. Ringier als potenzieller Käufer von Kirchs 40 Springer-Prozenten – das ist Verlegerwitwe Friede und Springer-Enkel Axel nach Presseberichten jedenfalls deutlich lieber als die WAZ-Gruppe.

Doch in Zürich gibt man sich weiterhin zugeknöpft: „Kein Kommentar“, ringt sich ein Sprecher der Ringier A.G. ab, derweil die FTD darüber spekuliert, ob der Konzern (Umsatz 2001: 725 Millionen Euro) ohne zusätzliche Kredite wohl den stolzen Kaufpreis von bis zu einer Milliarde Euro aufbringen könnte. Ringier und Springer sind alte Bekannte: Im Osteuropa-Geschäft ist man verbandelt. Beide Konzerne haben sich Mitte der 90er-Jahre aggressiv in den neu zu erschließenden Pressemärkten breit gemacht, Ringier verlegt unter anderem die zweitgrößte Zeitung Ungarns Mai Blikk, das tschechische Boulevardblatt Blesk, Fernsehzeitungen in der Slowakei und die rumänische Bravo-Ausgabe. Insgesamt hat das Unternehmen über 20 Titel im Angebot. In der schönen weiten Fernsehwelt gibt es auch bereits Kontakte: Ringier ist zu 50 Prozent am Schweizer Fenster von Sat.1 beteiligt, Springer gehört hier über seinem ungeliebten Partner Kirch zu den Mitgesellschaftern.

Klarer Marktführer

Zu Hause in der Schweiz ist Ringier ohnehin die unangefochtene Nummer eins im Medienbereich: Neben dem Boulevardblatt Blick nebst sonntäglichem Schwestertitel erscheinen die Wirtschaftszeitung Cash, ein ganzer Schwung Frauen- und Fernsehzeitschriften sowie die Schweizer Illustrierte. Für die französischsprachigen Kantone kommen noch das Nachrichtenmagazin L’Hebdo und die Stern-ähnliche L’Illustré hinzu. Ringier macht auch Fernsehen: Die üblichen aus den Zeitungen abgeleiteten Magazine wie „Cash TV“, ein Verbrauchermagazin („konsum.tv“) oder die Schweizer Ausgabe von „Live Ran“ – wo übrigens alle 64 Spiele der Fußball-WM 2002 live zu sehen waren.

Ein wenig Geld für den Kirch’schen Springer-Anteil dürfte Ringier in jedem Fall übrig haben: Die eigentlich für 2002 geplante Übernahme eines Titelpakets von der Basler Mediengruppe – inklusive der renommierten Weltwoche – scheiterte kurz vor der endgültigen Vertragsunterzeichnung, Ringier gilt derzeit als schuldenfrei, auch wenn 2001 der Jahresgewinn wegen des kriselnden Anzeigengeschäfts um fast ein Drittel auf rund 24 Millionen Euro gesunken ist.

Der Verursacher der ganzen Aufregung verhandelt derweil munter weiter: Trotz der gerichtlichen Blockade (siehe gestrige taz) setzten Leo Kirchs Abgesandte gestern nach dpa-Informationen ihre Gespräche fort – mit Ringier und der WAZ-Gruppe. Falls nun die Schweizer zum Zuge kommen, sollte Michael Ringier noch einmal überdenken, was ein ehemaliger „Ringier-Kader“ während der Borer-Affäre der Weltwoche sagte: „Der deutsche Boulevard operiert drei Etagen tiefer als der schweizerische“, doch diese Mentalität wurde im Hause Ringier „völlig unterschätzt“.