Regierung wackelt

FPÖ-Basis setzt Sonderparteitag durch, Parteichefin Riess-Passer droht mit Rücktritt. Haider hält sich bedeckt

WIEN taz ■ Kommt der Haider-Putsch oder nicht? Diese Frage hat der Parteivorstand der FPÖ auch in einer zwölfstündigen Sitzung in der Nacht zum Mittwoch nicht klären können. Obwohl Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer ihren Kurs und den der Regierung mit einem klaren Votum von 40:2 Stimmen absegnen lassen konnte, ist ihre Position weiterhin prekär. Denn binnen einer Woche muss sie einen außerordentlichen Parteitag einberufen, bei dem sie als Obfrau zurücktreten müsste. Als Datum für diesen Parteitag wird der 13. Oktober ins Auge gefasst.

Durchgesetzt haben diesen Sonderparteitag 379 Delegierte aus den Landesparteiorganisationen, deren Unterschriften bei der Marathonsitzung präsentiert wurden. Schon ein Drittel, also 251 der 751 Delegierten, hätten ausgereicht, um der Parteichefin den Sonderparteitag aufzudrücken. Riess-Passer spielte den Ball taktisch klug an die Landesparteiobmänner zurück, die in den vergangenen Tagen mit der Unterschriftenliste herumgegangen waren. Binnen Wochenfrist sollen sie dafür sorgen, dass mindestens 130 Unterschriften wieder zurückgezogen werden.

Während im Parteivorstand die Pragmatiker und die staatstragenden Funktionäre in der Mehrheit sind, überwiegt in den Ländern die traditionelle FPÖ-Basis, der rechte Rand und die Fraktion der Deutschtümler. Sie beharren auf Haiders Forderung nach einer Steuererleichterung trotz Budgetdefizit und Hochwasserhilfe. Der 2. Nationalratspräsident und Papierindustrielle Thomas Prinzhorn ging schon während der Sitzung mit gutem Beispiel voran und strich seinen Autographen.

Wenn die Revolte nicht abgeblasen wird, findet der Sonderparteitag statt, Riess-Passer wirft dort das Handtuch und die Regierung platzt. Denn auch die bei der Vorstandssitzung anwesenden Minister würden zurücktreten. Das versicherte Verkehrsminister Mathias Reichold. Alles wartete gespannt auf die Reaktion von Jörg Haider, der an der Sitzung nicht teilnahm. Wird er ein Machtwort sprechen und seine Lanzenträger in den Bundesländern zurückpfeifen?

Doch Haider kostete zunächst seinen Triumph aus und äußerte sich kryptisch: „Ich bin überzeugt, wenn man will, gibt es einen Weg, dass auch die Intentionen hunderter Parteitagsdelegierter berücksichtigt werden.“ Ihm bleiben einige Tage, die Stimmung an der Basis zu testen und seinen Preis für ein Machtwort zugunsten Riess-Passers zu nennen. Vor allem in Niederösterreich wollen sich die Rebellen nicht einmal von Haider selbst zurückpfeifen lassen. Der stellvertretenden Obmann Ewald Stadler erklärte, für jede zurückgezogene Unterschrift würden ihm neue angeboten. Er würde der Parteichefin dringend einen Dialog mit der Basis empfehlen. Mit Befremden habe er im übrigen gehört, dass die ÖVP bei künftigen Personalentscheidungen in der FPÖ mitreden wolle.

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hatte sich am Dienstag voll hinter Riess-Passer gestellt. Und auch die ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat erklärte, wenn die FPÖ-Ministerriege ausgetauscht würde, müsste man „die Gremien einberufen und die neue Situation beraten.“

SPÖ-Chef Gusenbauer frohlockt und sieht bereits das Ende der Wende. Er rechnet mit Neuwahlen Ende November. Die Grünen teilen diesen Optimismus nicht, die Obmannstellvertreterin Eva Glawischnig versicherte aber, man sei für diesen Fall gerüstet. RALF LEONHARD