Onkor dü Weng!

Zur Rieslingprobe im Bremer Ratskeller: Weine, klar wie Gebirgsbäche und geschliffen wie Diamanten, „das tapeziert Ihnen den Gaumen!“ Ein Nachmittag ohne viel Etepetete

Am Eingang zum Bacchus-Keller, dem am tiefsten gelegenen Teil des Ratskellers, wird noch gegrummelt: „Zehn Euro? – Was hammse denn da für teure Gläser“, beschwert sich der Herr im grauen Anzug über das Pfand fürs Probierglas. Drinnen aber löst sich alles Gemaule in Wohlgefallen auf. Drinnen, da hat der Rioja sein Recht verloren und der Bordeaux sowieso. Drinnen, da geht es um den deutschen Riesling: prickelnd, perfekt im Zusammenspiel von Süße und Säure, auch wenn der eine oder andre Tropfen „im Momet noch etwas verschlossen“ ist.

Hundert ausgewählte Weine wurden dem geneigten Publikum gestern von 15 Winzern präsentiert. Sie alle gewinnen ihre edlen Tropfen an den Steillagen der Mosel. Zum fünften Mal gastieren die Weinbauer auf Einladung von Kellermeister Karl-Josef Krötz im Bremer Ratskeller. Und erfreuen sich wachsenden Zuspruchs. „Eine Hand voll Leute“ seien es bei der ersten Verköstigung gewesen, so Gerd Klein vom Staffelter Hof in Kröv. Zur gestrigen Degustation haben sich dagegen schon 350 Leute angemeldet. „Obwohl ich noch kein Geschäft gemacht habe: Man kann das hier ganz gut mit einer Kundenlieferung verbinden – und es macht ja auch Spaß“, fasst Klein zusammen, zwirbelt den silbrigen Schnurrbart über seinen roten Backen und kehrt zurück an seinen Stand. „Ist das die Nummer 16 aus dem Angebot?“ fragt ein Ehepaar interessiert. Zwischen 4 und 30 Euro kostet eine Flasche Wein an diesem Nachmittag. Daher geht es auch nicht besonders etepetete zu. Das Publikum ist „Ein-Glas-Wein-am-Abend“-Durchschnitt, sehr zum Leidwesen von ein paar versprengten Hanse-Adeligen. „Also, wir kommen nicht wieder, wenn Sie uns fragen“, melden zwei ergraute Damen, die „seit 40 Jahren Wein aus dem Ratskeller bestellen“, aber „sowas noch nicht erlebt“ haben. Dass sie im Stehen kosten müssen anstatt, wie bei der ‚richtigen‘ Ratskeller-Weinprobe, am Eichentisch. Und auch, dass man die Prospekte im Schummerlicht schlecht lesen kann, wird bemängelt. Sei’s drum.

Denn Letzteres verhilft dem Plausch mit dem Winzer zur dominanten Kommunikationsform. Und das ist gut so, denn aus dem Prospekt hätte man nie erfahren, dass beide Kinder von Friedrich Kern Weinbau studieren, der Sohn in Australien, die Tochter in Chile – “Die hat vielleicht Ideen“. Stolz steigt auch der Nachbar ein ins Gespräch: „Der Meine (süddeutsch: mein Sohn, d.Red) macht ein Praxissemester in Neuseeland“ – es stehen internationale Zeiten an, an der Mosel. Doch die gute Stimmung trügt ein bisschen. Noch immer kämpfen die Mosel-Winzer gegen die Weißwein-Baisse. „Alle Welt versucht, unsre spritzigen Weißweine nachzumachen, aber trinken tut sie keiner,“ beschwert sich einer. Eine Veranstaltung wie diese ist da Balsam auf die wunde Winzer-Seele. „Ich trinke nur Weißwein. Und meine Kinder auch“, bekennt ein Fan und fordert nicht ganz stilecht: „Encore du vin“.

Nur wenige der geladenen Winzer haben die Ehre, auch durch das Ratskeller-Label geehrt zu sein – einer von ihnen ist Gert Basten, im Besitz des legendären Batteriebergs in Enkrich. Der Berg, einst senkrecht aufragend in der Mosel, wurde Mitte des 19. Jahrhunderts drei Jahre lang in die richtige „Lage“ gesprengt – mit „Batterien“. Seitdem neigt er sich zu 70 Prozent, die Reben bekommen Sonnenschein von oben und, durch die Spiegelung im Wasser, von unten. Der 2001-er kann sich schmecken lassen: „Vorne ein Maul voll Frucht und hinten tapeziert er Ihnen den Gaumen“. Elke Heyduck